Silentium of Markus Blazaizak

Markus Blazaizak

Eröffnungsrede

Laudatio

SILENTIUM OF MARKUS BLAZAIZAK

am 22.09.2022

 

Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste,

willkommen im

 

Bernsteinzimmer der HafenCity!

 

Mein Name ist Roloff, Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das Herzlichste begrüßen, zur 77. Vernissage in Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013.  Die Formel Eins hat die Grid-Girls abgeschafft. Wir geben uns traditionell und später auch  monarchistisch. Zu meiner Rechten das Grid-Girl der guten Kunst, meine Assistentin Betty.

Die heutige Vernissage gilt den Werken von Markus Blazaizak und hat den Titel

 

SILENTIUM!

 

Das Silentium ist ein Begriff aus den sog. Klosterregularien eines Benedikt von Nursia, 1500 Jahre alte Regeln. Das Silentium regelt die Zeiten, in denen die Mönche die Klappe halten und nicht rumklappern sollten. Hier und heute ist Silentium eine poetische Umschreibung dafür, dass Markus nach einem Unfall ertaubt ist. Er begreift seine Kunst als Sprachrohr für die hörenden Menschen.

 

Lassen Sie mich als Sprachrohr der Kunstkantine für die nächsten 17,5 Minuten die uns umgebende Kunst etwas näher bringen. Wie ihr wisst, ist eine Vernissage auch eine Verkaufsveranstaltung. Plötzlich auftretende Kaufimpulse wollen bedient werden. Ansprechpartnerin ist für die Zeit der Ausstellung, die noch bis zum 25. Oktober zu sehen ist, meine Frau Nissi, die Initiatorin der Kunstkantine. Denkt daran, 2 Monate nach Ende der Ausstellung ist schon der 1. Weihnachtstag. Die Spannung steigt. Liegt unter der Tanne eine neue Warmhalteplatte oder ein durables Gemälde?

 

Ich darf euch nun gewissermaßen als Quality Gate ein paar meiner Favourites dieser Ausstellung vorstellen. Ihr habt jetzt bestimmt ein neues Wort gelernt: „Qualitiy Gate“. Einer muss ja den Türsteher machen, dass hier Qualität aufgehängt wird.

 

Meine Damen und Herren, „Happy Mummy“ ist das ideale Bild für den Hausflur in der Nähe der Wohnungstür.

 

 

Eins ist klar: Der Protagonist dieses Bildes ist Ihr Freund. Er erinnert sie durch sein expressionistisches Gegrinse an das „Keep smiling“, mit dem Sie den Herausforderungen des Tages begegnen sollten.

 

„Never explain, never complain“,

 

nichts erklären und sich über nichts beschweren. Sie verbringen den Tag in heiterer Gelassenheit. Mit geschärftem rechten Auge blicken Sie auf das Chaos aus Inflation, Ringtausch von Panzern, Affenpocken, Drostes Corona-Visionen für Herbst und Winter sowie, symbolisiert durch die links im Bild aufsteigenden Zahlen, auf ihre neue Gas-Abschlagsrechnung.

 

Schlagzeile Bild-Zeitung von Mittwoch letzter Woche:

 „Meine Gasrechnung ist höher als meine Rente!“

 

 

Trotz Allem streckt Ihnen der Kollege seine Hand zum High Five entgegen, Sie klatschen ein und sagen „Bis heute Abend!“, bevor Sie mit guter Laune in die Welt hinaustreten.

 

Während der Kollege aus „Happy Mummy“ noch 2 ungleiche Augen hatte, hat der Protagonist aus „Circle of one eye“ nur noch ein großes Auge.

 

Das können Sie in Ihrem Hausflur gleich neben „Happy Mummy“ hängen. Die beiden Gemälde passen unheimlich gut zusammen. „Circle of one eye“ ist irgendwie evolutionsmäßig die Weiterentwicklung von „Happy Mummy“. Der Einäugige ist König. Wofür braucht man Symmetrie? Ein Auge reicht doch.

 

Berühmter Einäugiger aus der Odysseus-Saga ist der einäugige Riese Polyphem. So hieß in meiner Kindheit unser Segelboot, 7,20 m lang, es dümpelte im Hafen von Oevelgönne und wurde praktisch nie benutzt. Mama konnte nicht schwimmen und ich fand Outdoor-Aktivitäten immer schon doof. Den Palstek bekam ich auch nie hin. Ich bin dann eher schon für Kreuzfahrten.

 

Interessantes Detail ist die Abbildung eines Kuscheltieres in der Nähe des Augenlides rechts:

 

Dieses Detail sieht verdammt nach einem mongolischen Pfeifhasen aus:

 

Wenn das Gemälde „Circle of one eye“ in einen Haushalt mit Kindern einzieht und dieses Detail betont wird, ist mit großer Akzeptanz zu rechnen wegen dem Pfeifhasen.

 

Wenn ihr Besuch mit zeitgenössischer Malerei nichts anfangen kann, sollten Sie ebenfalls dieses Detail hervorheben. Da ist es ratsam, sich umfassend über die Lebensweise des mongolischen Pfeifhasen zu informieren.

 

Die Kumpels aus der Kneipe lassen sich mit der polygynen Lebensweise, im Klartext: das Männchen hält sich einen Harem, begeistern. Es sind kehlige Lacher zu erwarten.

 

Der mongolische Pfeifhase ist zudem sehr wetterfest. Temperaturen bis zu –30° sind kein Problem. Er muss sich nicht um exorbitant steigende Gaspreise sorgen. Und schon können Sie im Gespräch politisch werden. Die Frage der Abschaltung der Atomkraftwerke inklusive.

 

Markus trennt sich immer sehr schwer von seinen Werken, freut sich aber über Fotos von den Orten, an denen Sie hängen. Ich finde, „Happy Mummy“ und „Circle of one eye“ gehören zusammen und bieten eine Interaktion, die Gedanken- und Gesprächsstoff sein kann, unabhängig vom Pfeifhasen, dem possierlichen Kerlchen aus der mongolischen Wüste.

 

Der Künstlerfragebogen unserer Galerie enthält in der Ziffer 7. die Frage: „Was war auf deinem ersten künstlerischen Werk zu sehen?“

 

Die Antwort von Markus lautet: „Das verrate ich nicht!“

 

Gewöhnlich starten Kinder nach Kritzeleien mit dem sog. „Kopffüßler“:

 

Der Körper wird nicht mitgemalt. Der gesamte Torso fehlt. Der Kopffüßler ist praktisch das Gegenteil vom Torso. Später ist der Torso interessanter.

 

Oder man verkauft den Kopffüßler als große Kunst. Hier das Werk „Coronation of Sesostris“ von Cy Twombly, es soll für die Krönung eines Pharaos stehen:

 

Herausgekommen ist ein „Kopftausendfüßler“ mit Hitlerfrisur. Ein bisschen zerzaust. Es war viel Wind auf dem Berghof. Ideen hat der Mann, großartig. Das Gemälde kostete Millionen. Es befindet sich in der Sammlung Pinault. Da fällt es zwischen den Rothkos, Warhols und anderen zeitgenössischen Größen nicht so sehr auf.

 

Da Markus nicht verraten wollte, was auf seinem ersten künstlerischen Werk zu sehen war, verrate ich heute, nach 9 ½ Jahren Vortragspraxis, was auf meinem ersten künstlerischen Werk zu sehen war:

 

Nämlich ein Radiowecker! Den hatte ich kubistisch verfremdet. Die Inspiration dazu kam mir, als ich ordentlich vom Bastelkleber geschnüffelt hatte, der sich im Materialschrank vom Kunstraum befand. Gewöhnlich erschien der Kunstlehrer nur am Anfang und am Ende der 2 Stunden. Nachdem der Rest der Klasse den Kleber auch entdeckt hatte, war natürlich Rock´n´Roll. Wegen des Krachs kam der Physik-Lehrer rüber, riss die Tür auf und beschwerte sich mit den Worten „Was ist denn hier schon wieder los?“. Die treffende Antwort: „Alles, was nicht fest ist!“ fiel uns nicht ein.

 

Wer als Bilderfürst etwas auf sich hält, benötigt auch eine Muse. Musen, so Wikipedia,  inspirieren den Künstler durch ihren Charakter, ihre Ausstrahlung, ihre menschliche Zuwendung oder durch eine erotische Beziehung, bzw. Alles gleichzeitig. Hier haben wir die Bildgebung zu diesem Thema durch Markus:

 

 

Das Gemälde setzt bestimmte Schwerpunkte. Das Gesicht scheint nicht dazu zu gehören. Wer will denn auch die Verflossene sehen? Der Kopf ist in Höhe der sog. Temporallinie abgesägt. Da lässt sich jedes Gesicht anflanschen. Dass der Künstler eine gewisse Üppigkeit vom Schenkel und Gesäß bevorzugt, bleibt Spekulation. Obenrum ist da Dame ja eher skinny. Auf jeden Fall ist Hüfte Trumpf.

 

Die berühmteste Musengeschichte dürfte in Hinblick auf künstlerische Produktivität die von Pablo Picasso und Sylvette David gewesen sein. Hier die Schöne, die mit ihrem zerfransten Pony, dem Pferdeschwanz und den Sommersprossen den knapp 70jährigen Picasso in 3 Monaten zu über 50 Porträts inspirierte:

 

Sicherheitshalber kam zu jeder Porträtsitzung ihr Verlobter mit. Wer weiß, was sonst geschehen wäre. So konzentrierte man sich aufs Stillsitzen und Malen. Heraus kamen legendäre Werke wie dieses:

 

In den Kategorien der Porträtmalerei nennt man dies ein sog. Schulterstück.

 

Meine Lieben, es gibt in diesen Zeiten eine ganze Menge zu schultern. Welche Muse küsst uns? Woher nehmen wir die Motivation und die Kraft für unsere Tage? Z.B. durch Humor:

 

Hier ein Putin-Witz:

 

„Oleg, der Fahrer von Putin, verirrt sich mit ihm in einer ländlichen Region. Es wird Nacht, Putin wird ungeduldig. Oleg wird nervös und drückt das Gaspedal von der Staatslimousine Aurus durch.

Also, meine Damen und Herren, unangepasste Geschwindigkeit. Ein häufiger Unfallgrund. Da passiert es, im Dorf Iwangorod (Population 185) wird von Putins Panzer ein Schwein über den Haufen gefahren. Die Sau fliegt zehn Meter weit und rührt sich nicht mehr. Der Kühler dampft.

Putin tobt und schickt Oleg um Hilfe. Oleg geht ins Wirtshaus von Iwangorod, in dem noch Licht brennt. Eine Viertelstunde später kommt Oleg zurück, offenbar nicht mehr nüchtern, gelöster Stimmung. In den Armen ein Korb voll mit Würsten, Gemüse und Wodkaflaschen, den Hals voller Knutschflecken.

Putin ist völlig verwundert und fragt: „Oleg, was zur Hölle hast du den Leuten gesagt?“ Oleg lallt leicht, als er sagt: “Ich hab nur gesagt, ich bin der Fahrer von Putin. Das Schwein ist tot!“

Nach dem Inhalt meiner Rede habe ich jetzt 2 Möglichkeiten, den Vortrag zu beenden.

Mit dem Putin-Witz ist die Endung klar. Ukrainer verabschieden sich mit

„Bis nach dem Sieg!“

Mit dem Zitat „Never complain, never explain“, mit dem wir „Happy mummy“ schmückten, rückten wir ins Englische Königshaus, genauer gesagt, auf Queen Mom, die mit dem Konsum von Gin Tonic noch älter wurde als Queen Elizabeth II. In diesem Kontext muss man sich selbstverständlich mit

„God save the king!“

verabschieden. Suchen Sie sich gern aus, was am Besten passt.

 

Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal in diesem Theater.

Bernd Roloff

 

Aus Datenschutzgründen werden einige Bilder nicht gezeigt. Die Setzerin