„Verborgene Schönheit“

Monica Bohlmann und Rüdiger Knott

Monica Bohlmann und Rüdiger Knott gehören zur Hamburger Künstlergruppe

„artplacement“.

 

Bohlmann malt in dieser Ausstellung mit der Nadel.

Stich für Stich bestickt und übernäht sie digital bearbeitete Frauenbilder aus Foto- und Modemagazinen mit

Anatomie – und liefert so viel Stoff zum Nachdenken und zur Reflektion.

Ein fast vergessenes Medium, das Sticken, leuchtet in ihren Fadenfrauen neu auf.

Oft konstruktiv, aber auch bewusst spannungsvoll und unheimlich, ironisch und auch bodenlos witzig.

 

Knott zeigt sein ästhetisches Vergnügen am Verfall der präsentierten Fundstücke,

die oft aus dem Hamburger Hafen stammen. Und fast immer ist der Lack ab!

Er bemächtigt sich der Dinge, über die das Leben hinweg gegangen ist, und holt sie

in Materialbildern und Objekten neu zusammen geführt ins Jetzt und Heute zurück.

 

Anatomie + Mode

Monica Bohlmann

Eine Nadel kann einritzen und einstechen, sie kann Haut schmerzvoll verletzen und in sie  eindringen, sie kann sie aber auch mit einem Tattoo dekorieren und ihre Fragilität und Verletzlichkeit unterstreichen. Auch Stiche mit der Nähnadel können zart, präzise und von einer sympathetischen Hand geführt sein, oder schrill, insistierend, einen Schmerz unterstreichend und von der Maschine scheinbar ohne jede Anteilnahme ausgeführt. Die Arbeiten der Künstlerin Monica Bohlmann bewegen sich in dem Spannungsfeld von Handarbeit und computergesteuerter Maschinenpräzision.

Einerseits scheinen sie von der lichten und warmen Welt der Frauen, von Themen wie Geburt, Weiblichkeit und Schönheit durchtränkt, was sich auch in anschmiegsamen, weichen Materialien und Tüchern wie Leinen, Wattevlies oder dem Verwenden schützenden Wachses spiegelt, andererseits führen sie durch das Aufdrucken starker digitaler Fotomotive inhaltlich montierte Irritationen ein, Schockmomente, die sich dem Auge manchmal erst auf den zweiten Moment vollständig in ihrer Bedeutung enthüllen.

Vielleicht ist es angesichts des „konfrontativen Ansatzes“ von Monica Bohlmann kein Zufall, dass das Sticken ihre nachhaltige Aufmerksamkeit gewonnen hat, dass die Künstlerin mit der Nadel zu malen beginnt, in die Fläche vordringt und aus dem Zusammen von Maschine und Hand ihre Arbeiten schafft: Früher war das Nähen eine domestizierende Tätigkeit für die Frau am heimischen Herd: Harmlos, weiblich, nützlich. Bohlmann bedient sich dieses tradierten Kontextes, um Themen, die die Welt der Frauen um so nachhaltiger aufbrechen, als überraschenden Sprengsatz einzuführen und den Horizont des weiblichen Gefängnisses zu transzendieren: In die sublime Eleganz der Modewelt und Modefotografie schreibt Bohlmann die Endlichkeit des menschlichen Körpers in seiner radikalsten Form ein, indem sie digital bearbeitete Modebilder mit Anatomie bestickt – Knochen, Blutbahnen, Organe: der „anatomisch geöffnete Körper“ aus der Serie „Mädchen, Models, Ikonen“ mahnt so nicht nur an eine Pseudo-Wissenschaftlichkeit, sondern vor allem an das durch Schönheit und Jugend Verdrängte – nämlich den Tod, ist „Vanitas-Motiv“ und „Memento Mori“ zugleich. Dass, was die Perfektion der Modefotografie zu überdecken scheint, tritt durch das Aufsticken radikal in den Vordergrund: Die vermeintliche harmlose „Weiblichkeit“ und Konsumierbarkeit der Arbeiten von Monica Bohlmann wird so gebrochen und ironisch subvertiert.    

Intuitives und Rationales verbinden sich in Bohlmanns Werk wie die Nähnadel Stoff und Faden zu einer Einheit zusammen führt. Bohlmann beschreibt das Sticken als einen kontemplativen, mit Muße und Konzentration ausgeführten Akt. Ein Akt, der dem allmählich und mit bedacht und Liebe entstehendem Artefakt auch noch die Lebenszeit seiner Stickerin, seismographisch sogar die Stimmungen und den Rhythmus ihrer singulären Hand als Übertragung mitgibt, etwas Persönliches – und, wenn es nicht so märchenhaft klänge, vielleicht sogar gelegentlich die Spur ihres Blutes einschreibt, wenn der Finger sich an der Nadel ritzt. Nehmen wir die Maschine, der man mit einem Computerprogramm sogar digitale Formen und Motive vorgeben kann, so haben wir den äußersten Grad des Unpersönlichen. Bohlmann zieht beide Arbeitsweisen in einem Bild heran, verklammert Vergangen-Antiquiertes und den neuesten Stand der technischen Moderne als Arbeitstechniken und gibt ihren Stickarbeiten so einen Zeitindex als ästhetische Spannung mit.

 Von Dr. Stefanie Maeck

 

Rüdiger Knott sammelt.
Alles was nicht niet- und nagelfest ist und ihn optisch reizt.
Er ist kein Messie, vielmehr spürt er dem Reiz der Vergänglichkeit nach, der Schönheit des Verfalls. Im Atelier nahe der Elbbrücken in Hamburg bearbeitet er seine Fundstücke, komponiert eigentlich fremde Elemente zu einer neuen Einheit.
Schafft neue ästhetische Zusammenhänge.
Künstler, die ihm dabei immer wieder durch den Kopf spuken: Kurt Schwitters, Ed Kienholz,

Günther Uecker, Joseph Beuys, Christo, Paul Thek, Blinky Palermo, Anselm Kiefer und Jürgen Brodwolf.
In seinen Materialbildern, Assemblagen, Objekten und Skulpturen sieht sich der heute 71jährige frühere NDR-Journalist und künstlerische Autodidakt auch als „Bewahrer“.
Er holt Hölzer, Metalle, Leder und Pelze, Papiere und Plastikteile – über die das Leben

hinweg gegangen ist  – zurück ins Jetzt und Hier.
Jüngere Arbeiten, vor allem neue Objekte und Skulpturen, unterstreichen seinen Spaß für das Originelle und Abseitige.
Für fast alle gilt: „Berühren erlaubt!“

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Kurzvita:

1944 in Kallies in Pommern geboren

seit 1955 fast alle documenta-Ausstellungen besucht

seit 1968 Begegnungen mit  Beuys, Christo, Spoerri, Uecker, Piene, Mack und Hundertwasser wecken das Interesse des jungen Journalisten intensive Beobachtung vor allem der Kunstszene im Rheinland und Norddeutschland

1998         eigenes Atelier

seit 2004   mehr als 50 Einzel- und Gruppenausstellungen

seit 2006   Mitglied der Harburger Künstlergruppe „artplacement“

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