Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste, willkommen im Louvre der HafenCity! Mein Name ist Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das Herzlichste begrüßen, zur 58. Vernissage von Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013. Zu meiner Rechten meine Assistentin Betty, die den Text meiner großartigen Laudatio geschrieben hat. Betty wird gleich Exponate hochhalten, die meine Laudatio illustrieren. Ich selbst kann im Moment nur ungern etwas hochhalten. Meine Schultereckgelenksverrenkung des Typs Tossy 2 ist noch nicht verheilt. Auch der deutsche Gruß fällt mir noch schwer. Ist ja sowieso verboten. Betty ist also für den heutigen Abend unverzichtbar. Ich bitte um einen Zwischenapplaus. Diese Ausstellung gilt den Werken von Elsa Heim und steht unter dem Titel „Das Universum und seine Gestalten“ Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2019. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Kunstkantine, das mit seiner im Saal befindlichen Besatzung heute unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. 5 Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt, dringt die Kunstkantine dabei in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Ich bin also heute euer Captain Kirk, Betty ist Uhura, wir sind auf der Enterprise. Betty, bitte mal eine Sprechprobe: „Ich empfange Signale, Captain!“ So ist es richtig. Das letzte Mal war Betty Moneypenny und ich James Bond. Heute ist Universum angesagt. Das Team erweist seine Wandlungsfähigkeit. Vom Geheimdienst Ihrer Majestät geht es auf die Brücke zum Raumschiff Enterprise. Also los geht’s mit dem Universum und seinen Gestalten. Was bietet uns Elsa da an? Da gibt es zunächst die Wassergestalten. Ein faszinierendes Triptychon, hier das zentrale Bild mit 2 Wassergestalten: Was sagt man nun dazu? Es handelt sich um figurative Malerei, nichts Abstraktes, sondern Fantasiegestalten. Im Wesentlichen ein viergliedriger Körperbau mit fluider Oberfläche. Geschlechtsmerkmale sind schlecht zu erkennen. Ich würde sagen, rechts ist die Frau, erkennbar am kleineren Schädel, hat also etwas weniger Gehirn als der Mann. Außerdem fällt der Hinterkopf etwas welliger aus. Gepflegte Wasserwelle, würde ich sagen. Der gallertartige Unterbau dient der Fortbewegung. Es wird nicht gegangen oder gelaufen, sondern eine Wassergestalt schwebt durch Zirkulierung des ektoplastischen Unterbaus. Offensichtlich stehen die beiden Figuren im Dialog. Sie hat gerade ihm erzählt, dass sie das gemeinsame Raumschiff beim Durchflug durch den Saturnring etwas zerbeult hat. Er ist noch etwas konsterniert. Sobald er die Nachricht kognitiv vollständig aufgenommen hat, muss er aufpassen, dass er nicht platzt. Kommt nicht selten vor, dass Wassergestalten nach zu großer Aufregung platzen und dann mit dem Feudel aufgewischt werden müssen. Beerdigt werden müssen Wassergestalten nicht. Sie verdunsten einfach vor versammelter Trauergemeinde. Was für ein abgasarmer ökologischer Fußabdruck. Passt in die Zeit. Tja, meine Damen und Herren, darf ich das? Darf ich meine ausufernden Assoziationen zu den Wassergestalten hier ausposaunen? Elsa schreibt mir hierzu Folgendes: „Meine Bilder sollen so wirken wie sie bei den Einzelnen ankommen. Sollen die Betrachter fühlen, was sie fühlen wollen und nicht nur das, was der Künstler vorgibt. Manchmal haben mich die Betrachtenden auch auf Dinge hingewiesen, die ich selber, obwohl ich es gemalt habe, überhaupt nicht wahrgenommen habe. Frei nach dem Motto, die Gedanken, die sind frei, so kann sich jeder sein eigenes Bild machen.“ So gehört sich das, meine Damen und Herren, und übrigens meint Elsa, dass ein Bild auch einfach nur zur Couch passen kann. Wie beruhigend für den, dem nichts einfällt, der einfach nur ein angenehmes Seherlebnis haben will. Elsa hat nicht nur Wassergestalten gemalt, sondern das Thema als, sagen wir mal, „Elementezyklus“ weiter ausgeführt. Es gibt nicht nur Wassergestalten, sondern auch Licht-, Feuer- und Schattengestalten. Die Gestalten erweisen sich als Chamäleon. Wo im Universum finden wir so etwas wie ein Chamäleon? Ich darf vorstellen: Randall Boggs. Randall kommt in seiner Physiognomie den Wasser-, Licht- und Schattengestalten von Elsa am nächsten. Randall ist eine Filmfigur aus einem Film, der allein an der Kinokasse ca. 1,5 Milliarden Dollar eingespielt hat. Weiß jemand, wie der Film heißt? Richtig: Es ist die Monster AG. Randall Boggs ist ein achtbeiniges Chamäleon, das kleine Kinder erschreckt. Er kann sich aber auch ganz niedlich einfärben, z.B. hier mit der Herzchen-Hautfarbe: Rosa mit rosa Herzchen. Und was glaubt Ihr wohl, was die Lieblingsfarbe von Elsa ist? Richtig: Es ist Rosa! Die Frage nach der Lieblingsfarbe ist eine der Standardfragen, die ich Künstlern zur Vorbereitung der Laudatio stelle. Eine andere, häufig von mir gestellte Frage ist die Folgende: „Genießt du das Malen selbst, im Sinne eines „flow“, der sich bei der Werkschaffung einstellt? Oder bist du eher ergebnisorientiert? D.h. das Werk soll fertigwerden?“ Elsa antwortet das folgende: „Malen ist für mich wie eine gute Meditation, ich genieße die Momente wo ich wahnhaft an der Leinwand sitze und Farbe und Pinsel wie im Taumel über die Leinwand gleiten und meine Augen nur noch das wahrnehmen was da entsteht. Ich bin Widder von Sternzeichen und auch im Herzen, die Idee kommt und wird meist kurz Skizziert und dann male ich los, es kann durchaus passieren, dass ich im Eifer des Gefechtes einfach den Faden verliere und es ganz anders aussieht als ich es mir vorgestellt habe, unter uns es ist meistens so und ich bin selber gespannt was dabei rauskommt.“ Herausgekommen ist unter anderem auch ein „Höfischer Zyklus“ mit König, Königin, Hofnarr, Prinz Sorgenfrei und Prinzessin Glitzerfee. Wenn ich über Monarchie nachdenke, fallen mir noch vor den Windsors die Königsdramen von Shakespeare ein. Insbesondere Richard III. Ein bösartiger König. Durch Morde an die Macht gekommen. Von Hass zerfressen. „Doch ich, zu Possenspielen nicht gemacht, Noch um zu buhlen mit verliebten Spiegeln; Ich, roh geprägt, entblößt von Liebesmajestät Vor leicht sich dreh’nden Nymphen mich zu brüsten; Ich, um dies schöne Ebenmaß verkürzt, Von der Natur um Bildung falsch betrogen, Entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandt In diese Welt des Atmens, halb kaum fertig Gemacht, und zwar so lahm und ungeziemend, Dass Hunde bellen, hink ich wo vorbei“ Wunderbar gespielt von Ian McKellen. Hier haben wir ihn, den König mit Fluppe im Mund. Ein bisschen Helmut Schmidt ist auch in ihm. Wie lautet das bekannteste Zitat aus Richard III.? Richtig: „Ein Pferd, ein Pferd. Ein Königreich für ein Pferd.“ Monarchen haben es offenbar mit den Pferden. Was hat noch Kaiser Wilhelm II. zum aufkommenden Automobil gesagt? „Ich glaube an das Pferd.“ Im „höfischen Zyklus“ von Elsa ist ein Motiv, das sowohl klassisch als auch hochaktuell daherkommt. Gemeint ist, meine Damen und Herren, das Gemälde von Elsa mit dem Titel „Der Narr“. Vom Ausdruck her erscheint dieser Narr nicht unbedingt fröhlich, eher subtil säuerlich und undurchsichtig. Der Narr ist ein klassisches Motiv, das über Jahrhunderte fortgemalt wurde. Velazquez widmete den spanischen Hofnarren sogar einen Werkzyklus. Hier ein Gemälde von Velazquez in diesem Kontext: 1645 gemalt und bis in die Neuzeit immer wieder zitiert, z.B. in einem Gemälde von Dali von 1982 mit dem Titel „Hinter dem Fenster linker Hand, dort, wo ein Löffel hervorkommt, liegt Velázquez im Sterben“. Wie es sich gehört, der Narr wieder in einer rätselhaften Darstellung mit Spiegelei auf dem Kopf, Spieleier als Epauletten auf den Schultern und Spiegeleier-Handschuhen. Links der geschwungene Endlos-Dessertlöffel in Gold, dessen Griffstück in einem Fenster liegt, hinter dem Velazquez nach Auskunft von Dali um Sterben liegt. Hochaktuell ist die Narrendarstellung im Moment durch den Film „Joker“. Hier das Filmplakat: Der Narr so, wie ihn auch Elsa gemalt hat, ist eben nicht der fröhliche Spaßmacher, sondern ihm haftet immer auch ambivalente, dramatisch Hintergründige an. Die Monarchie ist als Staatsform überholt, taugt aber immer noch zur Romantisierung. Die beste Positionierung innerhalb der Dynastie ist für mich der Prinz. Direkte Regierungsverantwortung hat man nicht, aber man ist der kommende Mann. Die Tage vergehen mit zerstreuenden Aktivitäten. Man jagt Prinzessinnen durch den Irrgarten vor dem Schloss, greift den Mägden an den Hintern, fuchtelt mit dem Vorderlader herum und plündert den Weinkeller. Hier ein treffendes Porträt vom Prinz Sorgenfrei: Betty hat gesagt, es sieht mir ein bisschen ähnlich. Blaue Augen und blond-zerstrubbelte Haarfrisur. Gesichtsausdruck: heitere Gelassenheit und einen riesen Zinken hat er auch. Elsa glaubt, dass bestimmte Bilder von ihr magische Kräfte hatten. Sie schreibt mir: „Die Magie erschließt sich aus der Energie. Dazu eine kurze Geschichte. Ich habe wie ich anfing zu malen von einem Freund den Auftrag bekommen ihn ein Bild zu malen, es sollte ein Akt sein und die Farbe hat er vorgegeben. Ich malte dieses Bild für ihn und er hing es auf. Es dauerte nicht lange, da liefen seine Geschäfte besser und er traf die Liebe seines Lebens. Die Beiden sind fest davon überzeugt, dass es mit der Energie des Bildes zusammenhängt und geben mir liebevoll die Schuld. Ein weiteres Bild habe ich einer jugendlichen Freundin zum Geburtstag gemalt. Das allsehende Auge und ihr mit den Worten überreicht, Das Auge wacht immer über Dich und passt auf, das Dir nichts geschieht. Das Bild hing lange bei ihr und Ihr Leben wurde immer erfolgreicher und sie war im Flow.“ Also, so ein Prinz Sorgenfrei an der Wand, meine Damen und Herren, der kann schon was. Schon bald drückt eine weißbehandschuhte Hand bei Ihnen auf den Klingelknopf, sie öffnen die Tür und da steht ein livrierter Gesandter und sagt zu Ihnen: „Oh, Prinz Meißelkinn, Gott sei Dank habe ich sie gefunden. Sie sind bei der Geburt vertauscht worden. In Wirklichkeit sind sie der Thronfolger des Königs von Molwanien, dem Land des schadhaften Lächelns.“ Molwanien, meine Damen und Herren, noch nie gehört? Informieren sie sich durch diesen vielfach preisgekrönten Reiseführer: Molwanien, meine Damen und Herren, ist in geographischer Hinsicht ein Land der Gegensätze – von den felsigen, größtenteils unfruchtbaren Bergen bis zu den felsigen, größtenteils unfruchtbaren Ebenen. Die Energieversorgung erfolgt durch das älteste noch in Betrieb befindliche Kernkraftwerk. Molwanien ist der Welt größter Produzent von Roter Bete und Ursprungsland des Keuchhustens. Für Sie als Thronfolger gibt es also Einiges zu tun. Zuerst wird aber das Wiederauftauchen des Thronfolgers mit einem Trinkspruch gefeiert werden, der sonst nur dem plötzlichen Ableben von Erbtanten, bzw. einer erfolgreichen Blutrache vorbehalten ist. Die Untertanen prosten sich zu mit dem Trinkspruch: „Jetzt gibt’s Shtunkh!“ Damit es zu Weihnachten bei Ihnen keinen Stunk gibt, meine Damen und Herren, darf ich Sie daran erinnern, dass in 3 Wochen Weihnachten – und eine Vernissage auch eine Verkaufsveranstaltung ist. Auf die Frage, ob sich Elsa schwer oder leicht von ihren Werken trennt, schreibt mir Elsa das Folgende: „Die Frage ist für mich schwer, da ich jedes meiner Bilder liebe, sie sind ein Teil von mir und ich entlasse es in die große weite Welt. Wobei mein Herz vor Freude hüpft, wenn das Bild seinen Menschen gefunden hat.“ Interessante Antwort, nicht der Käufer wählt das Gemälde aus, sondern das Gemälde seinen Käufer. Ist das so, meine Damen und Herren? Ich finde, an dieser Aussage ist zumindest etwas dran. In einer Ausstellung findet man zumeist nicht alle Gemälde attraktiv. Aber dann gibt es das eine Werk, bei dem im wahrsten Sinne des Wortes „der Funke überspringt“. Man bleibt vor diesem Werk länger stehen. Aus Vollständigkeit sieht man die anderen Werke nochmals an, kehrt dann aber zu dem einen besonderen Werk zurück. Vor 2 Jahren haben wir eine Künstlerin ausgestellt, die in einem englischsprachig geführten Interview folgendes Statement abgab: „I hope that the viewer can make a personal connection with the personality of the painting and in a small way, make a connection with me“. Ich glaube, das ist das Entscheidende. Wir lieben ein Gemälde, wenn es eine persönliche Verbindung zu einem selbst aufbaut. Man kann ein Werk bewundern oder man begegnet ihm mit Kennerschaft, aber kaufen will man es, wenn es zu einem spricht. Dann springt der Funke über. Ein solches Aha-Erlebnis wünsche ich Ihnen heute Abend. Ich glaube, ich habe jetzt genug gesprochen. Lassen Sie sich von dem Gemälde finden, das zu Ihnen sprechen will. Viel Erfolg dabei. Bleibt der Kunstkantine treu und amüsiert euch gut. Vielen Dank fürs Zuhören. Bernd Roloff Einige Fotos sind wegen evtl. Urheberrechtsverletzung nicht veröffentlicht. Die Setzerin