Gruppenausstellung vom 29. September bis 03. November 2020
- Elf Künstler*innen des Atelier Freistil
- Carlo Büchner
- Philippa Jasper
- Larissa Kerner
Vernissage am Dienstag, den 29. September um 19 Uhr
Laudatio Bernd Roloff
Wir laden Sie herzlich ein zur Vernissage!
Die 64. Ausstellung von Nissis Kunstkantine widmet sich Arbeiten aus dem Atelier Freistil
und Werken des Illustrators Carlo Büchner. Abgerundet wird der „Feine Sirup“ der Ausstellung mit Gemälden von Philippa Jasper und Larissa Kerner. Es wird eine Gruppenausstellung mit besonders prismatischem Oevre! Gezeigt werden Porträts, Illustrationen, Landschaften, Farbfeldmalerei, Naives, Abstraktes und sogar Konstruktivismus.
Das Atelier Freistil ist eine Kooperation von „Leben mit Behinderung Hamburg“ und der „Elbe Werkstätten GmbH“, in der Künstler*innen mit Beeinträchtigungen Arbeitsplätze und Förderung bekommen. Larissa Kerner und Carlo Büchner sind aus gutem Grund in der eigenen Sammlung von Nissis Kunstkantine vertreten und werden zum 2. Mal gezeigt. Philippa Jasper wird mit ihren Fantasiewelten in der Ausstellung besonderen Zauber verbreiten!
Gabriele Radecki
Gabriele Radecki, geboren 1962. „Ich glaube nur an das, was ich sehe.“ Gabriele Radecki ist eine genaue Beobachterin. Sie kann in kurzer Zeit mit einem Strich eine Figur beschreiben und ihr Wesen mit zeichnerischen Mitteln erfassen. Begegnungen in idyllischer Landschaft, Fabelwesen und Pferde in Bewegung, Männer mit Hündchen, Damen im Pizzakleid- dies beschreibt einen kleinen Ausschnitt der Motive aus dem Ideenschatz der Zeichnerin. „Ich habe einen Blick für alles, was um mich rum passiert“, sagt die Künstlerin über ihre Arbeit im Atelier Freistil. Ihre Zeichnungen haben oft einen humorvollen und etwas absurden Moment.
„ Alles, was ich male, ist Realität (Wirklichkeit)“, sagt Gabriele Radecki und meint damit, dass alles so ist, wie sie es zeichnet.
Tom Wolpers
Tom Wolpers, geboren 1967. „Ein H. Ein U. Ein B. Ein S. Ein C. Ein H. Ein R. Ein A. Ein U. Ein B. Ein E. Ein R!“
Bevor er da ist, hört man das Brummen: ein Hubschrauber am Himmel. Viele Hubschrauber am Tag. „Das Wasserglas ist da!“ Fein-gläsernes Klirren eines rotierenden Pinsels im Glas, das voll sein muss bis zum Rand. Malen aus den Vollen, aus reichhaltig gefüllten Farbtöpfen – zur Not mit spitzbübisch stibitzter Farbe aus hinterletzten Ecken des Ateliers. Denn Tom Wolpers weiß, was er zum Malen braucht und was er malen will: Hubschrauber und Tonbandgeräte, Motorräder und Rührgeräte, Leuchttürme und Drehorgeln – alles, was sich dreht und rotiert, was sich bewegt und kreist. In der Hand von Tom Wolpers nehmen all diese Gerätschaften Fahrt auf und drehen sich, angestoßen von seiner schwungvollen Pinselführung, drehen sich und drehen sich…
Die Faszination für das Material, für die Formen und den künstlerischen Schaffensprozess selbst bestimmen die Arbeit von Tom Wolpers. Dabei wird deutlich, dass er die Auseinandersetzung mit dem Material liebt. Farbauftrag, das Rauslösen der Farbe aus dem Pinsel und der Farbauftrag mit der Bewegung des ganzen Körpers.
Wiederholungen, Untersuchungen und serielles zeichnerisches Beschreiben lassen einen künstlerischen Kosmos entstehen, in dem Tom Wolpers wie die Erde um die Sonne kreist. Immer in regelmäßiger stetiger Bewegung.
Siegmar Voß
Siegmar Voß, geboren 1956. Siegmar Voß arbeitet seit Mai 2011 im Atelier Freistil. Er ist gelernter technischer Zeichner, hat, wie er selbst sagt, kein einfaches Leben gehabt und viele Stolpersteine überwinden müssen. Bewahrt hat er sich sein künstlerisches Talent, das er schon als Kind entwickelte. Sein geschultes Auge nutzte er anfangs, um detailgenaue Tuschezeichnungen anzufertigen. Er zeichnete er bekannte deutsche Bauwerke und Phantasielandschaften. Sein besonderes Interesse Insel Helgoland. Deutschlands einzige Hochseeinsel übt eine starke Faszination auf ihn aus. Bereits zwei Mal hat er die Insel bereist.
Udo Böhnisch
Udo Böhnisch, geboren 1958. „ Hier im Atelier ist immer was los. Das mag ich daran“. Udo Böhnisch ist ein begeisterter Beobachter und findet in seiner Umgebung Inspiration für seine Zeichnungen. Dabei kombiniert er Schrift und Bild. Böhnisch greift Wörter auf, beginnt sie zu formen, fabuliert und reimt. So erfindet er neue Wortzusammenhänge und verbindet diese mit seinen Zeichnungen.
Was interessiert Sie an der Kunst? Die Kunst, der Dunst.
Wo sind Sie geboren? Hamburg Altona, 1958.
Sie interessieren sich für Zahlen, warum? Warum ist die Banane dumm, krumm.
Bei welchem Wetter malen Sie am liebsten? Sonnenschein und Mondenschein und auch Sternenschein. Wenn der Himmel abends blau und klar ist.
Was sind Ihre Lieblingsfarben? Lila, orange, anthrazit, beige, rot, gelb, grün, braun, blau, schwarz, weiß.
Sind Sie gerne in der Natur? Ja, Kultur auch.
Sie sind ja ein Dichter! Woher kommt ihre Freude am Dichten? Von Schichten, von Fichten, von Bösewichten.
Cemile Ötztürk
Cemile Ötztürk, geboren 1972. Die Künstlerin spricht über Ihre künstlerische Laufbahn und ihre Inspirationen:
“Ich bin als Kind nach Deutschland gekommen und denke oft an Istanbul. Geboren wurde ich in einem Dorf. Dort gab es Äpfel, die schön aussahen und gut geschmeckt haben. Ich habe Sehnsucht nach dem Ort. Ich mag die Farbe rot, die Farbe der Äpfel. Im Dorf in der Türkei hatten wir ein gelbes Haus. Ich denke an das Frühstück dort und die Bäume. Die Bettlaken im Haus sind lilafarben. Das Sofa ist blau und wir trinken Tee mit der ganzen Familie“. All diese Farben finden Sie in den Werken von Cemile Ötztürk.
Manuel Llobera-Capella
Manuel Llobera-Capella, geb. 1990. Seine künstlerische Begabung fiel schon in der Schulzeit auf. Seit Eröffnung das Atelier Freistil im März 2010 arbeitet Manuel Llobera- Capella in den Elbe Werkstätten.
Manuel Llobera- Capella ist ein Meister des Kunstzitierens.Werke von Cezanne, Gauguin oder Matisse dienen ihm als Vorlage. Gern malt er Figuren, deren Haltung er seinen Vorlagen entnimmt, verleiht ihnen jedoch einen ganz eigenen Ausdruck. Er entwickelt neue Bildkombinationen, fügt Gegenstände hinzu, verändert Farben. Seine Figuren blicken dem Betrachter entgegen, mal freundlich, mal gelangweilt, mal gedankenverloren oder unbeteiligt. Sie strahlen jedoch immer eine große Ruhe und Gelassenheit aus. Manuel scheute sich nicht, das jemals teuerste verkaufte Bild von Cezanne zu zitieren. Damit wertschätzt er die Arbeit des Künstlers, so wie seine eigene.
Er malt mit Acryl und Ölfarben, die er geduldig in mehreren Schichten aufträgt. Seine Bilder leuchten in klaren Farben und vermitteln einen plastischen Eindruck. Manuel Llobera- Capella sagt: “Es ist mir wichtig, dass die Betrachter sich gut fühlen, wenn sie meine Bilder anschauen.“
Martin Posselt
Martin Posselt, geboren 1996. Er zeichnet Szenen der Stadt Hamburg, in denen viel los ist; den Hafengeburtstag, den Dom, den Hauptbahnhof, die Elbbrücken. Seine Arbeiten erinnern an Wimmelbilder, auf denen immer neue Dinge entdeckt werden können. Es entstehen Welten zwischen Himmel und Erde, alles ist wichtig, den kleinen und den großen Details schenkt er Aufmerksamkeit wie Bienen und Luftballons, Düsenjäger und Kehrmaschinen. Er konzentriert sich auf die lineare Beschreibung der Szene, die Zeichnungen bleiben filigran, Objekt und Zwischenraum verschmelzen miteinander. Durch die Überlagerung der Linien und das Spiel mit dem Zwischenraum ergeben sich spannungsreiche, grafische Bilder. Interessant ist auch der thematische Zusammenhalt seiner Arbeiten. In den naiv und friedlich anmutenden
Welten von Festen und Wochenendausflügen verstecken sich beim genauen Hinsehen viele Gefahren. Gefährliche Tiere lugen hinter Häusern hervor, Luftballons nähern sich bedrohlich nah den Rotorblättern des Hubschraubers und in friedlichen Vorgärten tauchen lärmende Kehrmaschinen auf. Faszination und Angst vor den Dingen liegen im Erleben des Künstlers dicht beieinander, der Zwischenraum von Gut und Böse, Freude und Erschrecken wird vom Künstler thematisiert.
Esther Ravens
Esther Ravens, geboren 1970. „Ich glaube, das Gehirn funktioniert in Bildern noch vor den Sätzen. Wenn mir ein Bild gelingt, schreie ich fast vor Freude. Frei vor dem weißen Blatt, schnell anfangen und dann sehen, sehen, sehen, wohin es will, das Bild. Mit den Händen malen. Und ich produziere auch viel Müll. 99 % Transpiration, 1 % Inspiration. Genie? Es gibt so viele gute Künstler. Sehen, sehen, sehen, erkennen. Und sich immer wieder verneigen.“
Peter Coleman
Peter Coleman, geboren 1997. Lange betrachtet Peter Coleman seine Vorlagen, bevor er dann relativ zügig und mit unverkennbarem Strich zu zeichnen beginnt. Erstaunlich ist, dass er seine Bilder häufig von der einen Ecke des Bildes zur anderen malt und beispielsweise ein Portrait nicht von der Mitte herausarbeitet. Seine frühen Werke strahlen Leichtigkeit, Spontanität und Zartheit aus. Inzwischen sind seine Zeichnungen definierter, klarer und kraftvoller. Bemerkenswert für den zurückhaltenden, jungen Künstler, der sein Gegenüber selten anschaut, ist seine Vorliebe für Portraits, die dem Betrachter offen ins Gesicht blicken.
Sandra Boishtyan
Sandra Boishtyan, geboren 1997. „Ich finde jeder Mensch kann Kunst machen. Jeder hat eine eigene Kunstsprache. Ich mag alte, ich mag moderne, ich mag unperfekte Kunst. Mir gefallen Mangas, male aber auch gern Landschaften. Ich bin offen für alles! An der Arbeit im Atelier gefällt mir die Vielseitigkeit und dass alle ihre eigene Kunstform machen können.“Sandra Boisthian ist eine aufgeschlossenen, lebensfrohe junge Frau, die sich für Themen wie Identität, Mode und soziale Medien interessiert. Für sie bietet die Kunst die Möglichkeit, den Themen, die sie beschäftigen, Ausdruck zu verleihen und ein Statement abzugeben, sei es in der Malerei, im plastischen Arbeiten oder als Performance.
SIRINA
SIRINA, geboren 1977. Seit Oktober 2019 arbeitet SIRINA im Atelier Freistil. Dass sie eine Weile Grafikdesign studiert hat, findet sich in ihren Bildern wieder. Sie zeichnet mit Buntstift und Pastellkreide menschleere Landschaften. Sie verzichte ganz bewusst auf Personen. Die Hell-Dunkel-Kontraste folgen einer ausgefeilten Lichtregie, Häuser und Bäume werfen lange Schatten. Von Sirinas Bildern geht eine starke Ruhe und Stille aus, sie wirken zeitlos, fast melancholisch und isoliert. Genau das gefällt ihr, sie empfindet es als wohltuend für Auge und Sinne, aus dem bunten, lauten Leben in die Ruhe ihrer Bilder einzutauchen.
Carlo Büchner
Das Spektrum von Carlo Büchner, Jahrgang 1986, reicht von der filigranen Bleistiftzeichnung über satirische Cartoons, Trickfilmanimationen (Kooperationen u.a. mit Otto Waalkes, Willy Astor und Ottfried Fischer), lyrischen Texten, humoristischen Darbietungen bis hin zur klassischen Malerei. In seinen Bildwerken erkennt man klassische, handwerklich anspruchsvolle Akribie, aber auch einen modernen und legeren Strich. In jedem seiner Werke ist die Liebe zur Präzision im Detail, die bei ihm oberste Priorität besitzt, zu sehen. Unterrichtet wurde er u.a. von Beuys-Schüler Michael Ryba.
Seine 2008 entworfene Cartoonfigur RAY besticht durch niedliche Proportionen, bedingt durch Knopfaugen und eine große Nase bei verhältnismäßig kleinem Körper. RAY dient als visueller Botschafter eines Humors, in den lustige Alltagssituationen ebenso einfließen wie Karikatur und Wortspiel.
Carlo Büchner produziert außerdem Kalender und Postkarten mit satirischen Zeichnungen und veröffentlichte 2018 sein erstes Buch ‚VOLLSCHUSS‘ beim Schmidt Verlag mit Fußballcartoons und Gastwerken renommierter Kollegen.
Philippa Jasper
Fantasy-Ästhetik gekoppelt mit märchenhafter Verschleierung sind Schlagworte, die Philippa Jaspers Bildwelten beschreiben. Gefällige, leuchtend bunte Farben, spukhaft verfremdet sind weitere. Jaspers Gemälde sind Konglomerate aus abstrakten Formen, malerischen Flächen und realistisch anmutenden Motiven, die, je länger man hinschaut, umso mehr Korrespondenzen offenbaren.
Die Gemälde der früheren Meisterschülerin von Prof. Mechthild Frisch an der Kunstakademie Münster erzählen Geschichten. Jedoch keine fertigen, ausgearbeiteten Handlungsstränge, sondern sie sind vielmehr Zitate, Anspielungen. Sie transportieren Stimmungen und Erlebtes und wollen Prozesse des Fühlens anstoßen. Denn eben jenes, das Gefühl, ist immer Ausgangspunkt Jaspers Malerei, der Schaffensprozess somit ein intuitiver. Erinnerungen, längst Vergessenes und neu Erlebtes drängen sich auf die Leinwand und lassen Bildwelten entstehen – manchmal bizarr, manchmal düster, manchmal einfach schön.
Larissa Kerner
„Larissa Kerners Werke sind allesamt Selbstbilder.
Selbstbilder?
Sehen wir hier also einfache Selfies
– nur eben in stundenlanger analoger Ausführung bearbeitet?
Der schnelle erste Blick lässt den Schluss auf bloße Selbstporträts ja durchaus zu.
Aber: Vorsicht! Vor dem Blick, der nur klassifiziert, bewertet, urteilt – betrachtet, aber nicht begreifen will.
Vorsicht vor einer Sichtweise, die anschaut, ohne rein- oder gar dahinter schauen zu wollen.
Die lauten Bilder aus Acryl- und Sprayfarben, Ölstiften, Gaffa Tape und mehr sind wortwörtliche Selbst-Bilder, keine bloßen Abbilder.
Weil sie Spiegel-Bilder sind, die im reflexiven Prozess verhandelt haben, was in Larissa Kerners Innerem ist.
Weil sie die Frage „Sehen die MICH oder nur, was sie an mir sehen wollen“ als „Siehst DU mich oder nur, was Du an mir sehen willst?“ zurück reflektieren auf den Betrachter.
So verschmelzen hier die Sichtweisen:
Der zuschreibende, ikonisierende Blick von außen auf eine, die angeblich irgendwas verkörpert und die Innensicht von einer, die nicht nur als Tochter und Bandmitglied von Pop-Ikone NENA weiß, wie es sich anfühlt, auf die ständige Draufsicht reduziert zu werden.
So wie in Larissa Kerners Leben und künstlerischer Arbeit vielerlei mühelos und wieder anderes geradezu schmerzhaft verschmilzt: Pop und Art, Musik und bildlicher Ausdruck, Selfie- und Streetart-Kultur, Tochtersein und Muttersein, Zwillingsschwester und Zwillingsbruder, Frau und Mann.
Verschmelzen heißt, sich hinzugeben – in Larissa Kerners Arbeiten bedeutet es aber auch: Da zu sein, stattzufinden im Gegenüber, sich Terrain zu erobern auf der anderen Seite: wenn nötig eben in großformatiger Ausdehnung.
Eroberung und Rückeroberung, dessen, was im flüchtigen Draufblick zügig von uns (allen!) genommen wird: Wer wir wirklich sind. Sein versus Sehen. Sinn versus Sinnbild.
Und nicht zuletzt auch: Erzählen versus Zuschreibung. Larissa Kerners Bilder erzählen von Liedern und den Stimmungen, die sie vertonen, teilen Gedanken mit, plaudern Gefühle aus, rufen einem Wut entgegen – und Liebe.
Damit fordert Larissa Kerner Vorsicht in einem weiteren Sinn ein: VOR dem Bild innezuhalten für die SICHT auf das, was zu zeigen sie bereit ist – und verbindlich einlädt.
Larissa Kerner ist auch in verschiedenen teilweise internationalen Kunstprojekten und -kollektiven aktiv.
Die Werke ihres langjährig zusammenarbeitenden Künstler-Duos AdamEva wurden bereits in zahlreichen Einzel-und Gruppenausstellungen gezeigt, u.a. in der HeliumCowboy Galerie sowie im Hamburger Mercedes me Store, die Künstlerinnen haben gemeinsam zudem diverse individuell konzipierte Auftragsarbeiten realisiert.“ Larissa Kerner