Laudatio Ursula Bertram-Za und Manfred Milz „FOR YOUR EYES ONLY“ Nissis Kunstkantine, 30.10.2021 Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste, liebe Kunstschaffende! Sie befinden sich in der 70. Vernissage der Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013. Mein Name ist Roloff, Bernd Roloff. Ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine und darf Sie herzlich zu diesem besonderen Abend begrüßen. Zu meiner Rechten meine Assistentin Betty, genannt Moneypenny. Die Ausstellung hat das Motto „For your eyes only“. Wirft man den Slogan „For your eyes only“ in den Saal, werden zumindest diejenigen, die vor 1970 geboren sind, in die Zeit der frühen 80er Jahre zurückgebeamt, was dann entsprechende Assoziationen erzeugt. „For your eyes only“ war der Titel des gleichnamigen James-Bond-Streifens: Ein Filmplakat wie dieses wäre so heute nicht mehr denkbar. Eine langbeinige Schönheit auf Highheels, a tergo dargestellt, heroisiert auf den knackigen Hintern, wehrhaft mit Armbrust. Ihr gegenüber zwischen den glänzenden Schenkeln der unsterbliche Roger Moore. Gefesselt im Geheimdienstauftrag ihrer Majestät und entfesselt von Erotik. Zitat aus dem Film: „Und 007, wie war die letzte Nacht?” James Bond: „Ach, ein ständiges Auf und Ab.” Die Ästhetik der 80er Jahre bringt uns Manfred Milz mit seinen Werken „For your eyes only“, „Studio 54“, „Avantgarde“, „Picadilly Circus“ und anderen Gemälden zurück. Hier das Werk „Studio 54“: Für die Jüngeren unter euch: Das Studio 54 war damals das, was der Club „Berghain“ in Berlin heute ist, nur damals stilbildender. Ein Beispiel dafür: Als Bianca Jagger anlässlich ihres Geburtstages auf einem Schimmel durch die Disco ritt, schlug die Stunde von Manolo Blahnik, der ihr die Stiefel für diese Aktion kreiert hatte. Ab da war Manolo Blahnik der Schuster der Prominenz. Zu der Zeit durfte man übrigens auch nicht eine Folge von „Miami Vice“ verpassen. Hier Sonny Crockett und Ricardo Tubbs, angelehnt an einen Ferrari Daytona Spider, der gar kein Ferrari war, sondern eine Replica mit V8-Motor und automatischem Getriebe. Gott sei Dank, denn der Wagen wurde in einer Folge in die Luft gesprengt. Wäre es das Original gewesen, so hätte man nach heutigen Preisen wohl so ungefähr 3 Mio. Euro in die Luft geblasen. Nach der Detonation fuhren Crockett und Tubbs einige Folgen lang mit einem belanglosen Pick Up durch die Gegend und quengelten bei Ltd. Castillo, ihrem Vorgesetzten, dass sie ein angemesseneres Fortbewegungsmittel benötigen würden. Castillo warf ihnen dann eines Tages die Schlüssel für den neuen Wagen auf den Schreibtisch. Betty wird jetzt die schlichten Worte sprechen, mit denen Ltd. Castillo das neue Dienstfahrzeug übergab: „Er steht unten im Hof!“ Man kann sich vorstellen, dass ich seinerzeit diese Situation in meinen nächtlichen Träumen über den motorisierten Individualverkehr nachvollzogen habe. Aber mein Schlüssel reichte nur für einen Ford Fiasko. Auf eine bildliche Darstellung wird verzichtet. Crockett und Tubbs verband nicht nur Berufliches, sondern auch eine kernige Männerfreundschaft. Da wird nicht viel geredet und das drücken die beiden gezeigten Miami Vice-Bilder auch aus. Männer, Auto, Wumme. Nicht ohne Grund puristisch. Wie Ursula Bertram-Za das Thema „Beziehung“ umgesetzt hat, kann man dem gleichnamigen Werk entnehmen: Offensichtlich 2 Enten, die voneinander abgewandt vor einem prismatischen Farbspektrum durchs Leben gehen, sofern sie nicht schwimmen oder fliegen. Monogamie ist bei Entenpaaren die Regel. Der Erpel hat das prächtigere Gefieder, dafür darf die Dame das Nest bauen. Das Gemälde ist für mich ambivalent. Einerseits sind Motiv und Hintergrund farbenfroh und positiv, andererseits wenden die Vögel ihre Köpfe voneinander ab. Sie scheinen sich nicht so wirklich zu amüsieren. Mr. Erpel sieht scharf und schneidig nach links, im Hintergrund gerade Linien, offenbar ein straighter Vertreter seiner Art, beruflich Arzt, Ingenieur oder Virologe. Mrs. Ente scheint mir eher die Romantikerin zu sein, der Hintergrund verschwurbelt bunt, sie hat die Ausstrahlung eines Feuerwerks. Höchst interessant, der Bildbereich zwischen den beiden Enten. Von ihr kommt Schmusestrahlung, er hat einen blauen Panzer. Im Kopfbereich scheint es noch Zwischenmengen zu geben. Schon mal gesehen, so ein Pärchen? 80 % der älteren Pärchen in Gourmetrestaurants gehobenen Niveaus sind geeignete Beobachtungsobjekte. Es wird wenig geredet und wenn, dann nicht gerade empathisch. Er sagt: “Draußen regnet´s.“ Sie sagt: “Damals, bei unserer Hochzeit im Schlosshotel Münchhausen, hat es auch geregnet.“ Er sagt: „An was du dich alles erinnerst.“ Ende der Diskussion für diesen Gang. Vielleicht sagt er noch: „Gleich kommt die krosse Bauernente.“ Wir können davon ausgehen, dass er nicht ganz bei der Sache ist. Gedanklich befindet er sich womöglich in einem Schloss im Schnee, alle Spuren gut verwischt, im Boudoir desselben, mit seiner Gespielin, Mitte 20, Körbchengröße 75 C, das Beinkleid verführerisch. Man sagt heute nicht mehr halterlose Strümpfe, sondern Betty: „Stay Ups.“ In diesem Kontext ein Blick auf Manfreds Gemälde mit dem Titel „Rotes Palais“: Ein höchst angenehmes, assoziationsträchtiges Werk. Zylinder und Sonnenhut als geschlechtsspezifische Kopfbekleidungen, es geht sündig zu, wie der Apfel symbolisiert. Dann diese Draperie, einmal Stoff und einmal Tapete. Und wenn Besuch kommt, wird über die streitentscheidende Frage diskutiert, ob der Busen echt ist oder silikonunterstützt daherkommt. Für die Zigarette danach hat Manfred auch das entsprechende anzubieten, nämlich das „Raucherkabinett“: Die Zigarette danach verlängert das Laszive. Entweder wird die Zigarette geteilt oder sie raucht zeitgleich 2 an und reicht ihm eine rüber, vorzugsweise mit Lippenstift dran. Gibt es das heute noch oder herrscht eher postkoitale Traurigkeit über Rauchverbote in Hotelzimmern? Der kleine Sex-Knigge der Bild-Zeitung schreibt über die Zigarette danach: „Geht gar nicht mehr! In alten Jean-Paul Belmondo-Filmen mag es ja ganz cool ausschauen, im realen Leben ist das Rauchen im Bett nicht nur ungesund und unhöflich, es ist sogar peinlich. Also: Ab auf den Balkon! (Vorher was überziehen!)“ Ein gutes Gemälde ist immer ambivalent. Man kann das Gemälde auch so interpretieren, das Rauchen zur Verwesung von Gliedmaßen beiträgt. Er hat sich zwar was angezogen, aber unten baumelt schon der rechte Knochen raus. Das Miteinander eines Tintenfischpärchens hat Ursula in dem gleichnamigen Werk umgesetzt. Er in blau, sie in rosa: Das Paarungsverhalten von Oktopoden ist schwierig zu beobachten. Sie gelten als Heimlichtuer beim Sex, vielleicht macht es sie deshalb für die Forschung so interessant. Wie es bei den Oktopoden zur Sache geht, ist höchst unterschiedlich. Es gibt Arten, die sich liebevoll umschlingen. Und es gibt Arten, bei denen das Männchen von seiner Partnerin fast oder tatsächlich erwürgt wird. Hier hat die Evolution die Lösung gefunden, dass das Männchen sein Spermapaket auf einen Arm zusammenpackt, diesen Teil des Arms löst und es der Dame rüberschleudert. Eine Art „subsea cumshot“. DHL in der Tiefsee, meine Damen und Herren. Wenn Sie dieses Werk kaufen, meine Damen und Herren, schenkt Ihnen die Kunstkantine das Buch „Rendezvous mit einem Oktopus“ von Sy Montgomery dazu: Eine Vernissage ist nicht zuletzt eine Verkaufsveranstaltung. Bedenken Sie, dass in 6 Wochen schon Weihnachten ist. Die Kombination von Bild und Buch macht Ihnen so schnell keiner nach. Ursula versteht ihre Werke ausdrücklich als Hommage an die Natur. Ihre Antriebskraft ist die Freude am kreativen Ausdruck und am Schaffen. Gearbeitet wird im Flow, bis das Werk rund und fertig ist. Bei den Werken, die als Hinterglasmalerei entstehen, ist es nicht einfach, sich im Flow zu halten. Hier mal ein Blick auf ein hinreißendes Diptychon, das Ursula eingeliefert hat.
Ursula schreibt mir: „Ich arbeite im Flow, freue mich wenn ich das Gefühl habe, mein Bild ist rund und fertig. Ich muss aber wegen den Trocknungszeiten (bei den Hinterglasarbeiten male ich ja in Schichten) immer wieder warten, was mir schwerfällt, weil ich unbedingt weitermachen will. Mache dann trotzdem weiter, weil ich es nicht lassen kann und dann verläuft die Farbe :((( Oje oje! Das was dadurch entsteht hat aber auch seinen Reiz und bringt neue kreative Prozesse in Gang und neue Ideen ins Bild.“ Im Gegensatz zu manchen Künstlern, für die die Welt nicht mehr in Ordnung ist, wenn sie sich von ihren Werken trennen, verkauft Ursula ihre Werke leichten Herzens. Liebes Publikum, treffen sie noch heute einen spontanen Kaufentschluss, damit das auch so passiert. Meine Damen und Herren, vor 22 Jahren erschien in der „Welt“ der Text „Niemals über Bilder reden“, eine Art Bedienungsanleitung für Vernissagen. Über die Laudatio heißt es dort wie folgt: „Sie ist die größte Klippe für die gute Laune während einer Vernissage. Eine Laudatio auszuhalten, fordert dem Galerie-Besucher allen verfügbaren Humor ab. Kunstexperten neigen bekanntlich dazu, weniger über die Gemälde an der Wand zu reden, als über Malerei an und für sich, das Weltentheater, das Göttliche oder auch die Unendlichkeit.“ Ihr habt hoffentlich nicht den Eindruck gewonnen, dass ich als Kunstexperte zu euch gesprochen habe. Dementsprechend fehlten in dieser Laudatio bislang Ausführungen über das Weltentheater, das Göttliche und die Unendlichkeit. Stattdessen gab es Ausführungen über James Bond, Miami Vice, das Liebesleben der Oktopoden und die Zigarette danach. Bevor ihr jetzt zur Zigarette nach der Laudatio nach draußen geht, darf ich eindringlich um einen prüfenden Blick auf die Kunstwerke dieser Ausstellung bitten. Es sind Werke abseits des Mainstreams, die – wenn überhaupt – nicht in dieser stimmungsvollen Komposition zu sehen sind. Greift also zu, folgt jedem spontan aufkommenden Kaufimpuls. Immer, wenn Bedarf auf Gelegenheit trifft, ist Entscheidungsfreudigkeit gefragt. Diese Freude wünsche ich euch von ganzem Herzen! Ich bedanke mich fürs Zuhören und sage: Bis auf bald in diesem Theater! Bernd Roloff Aus Datenschutzgründen sind einige Bilder nicht veröffentlicht. Die Setzerin