Magic Milky Way
Einladung
Rückseite
Die Formatierungen der Laudatios werden derzeit überarbeitet. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Laudatio
Die Kantine am Ende des Universums hatte für die Vernissage der Ausstellung „Magic Milky Way“ der Werke von Horst Güntheroth ordentlich Gäste angezogen, obwohl „Brückentag“ war.
Es folgte die Laudatio des residenten Laudators :
„Liebe Freunde der Kunstkantine, wir versuchen heute am …
Brückentag einen Brückenschlag
zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Dieser Brückenschlag zwischen Physik und sagen wir mal MUSE, ist nämlich eines der wichtigen Motive die hinter der Kunst von Horst Güntheroth steht.
Meine Damen und Herren, nach einer orientalischen Legende aus der Frühantike lag die Erde auf dem Rücken eines Wals, der seinerseits von einem Stier getragen wurde, welcher auf einem Felsen stand, der wiederum auf dem Staub ruhte. Was darunter war, wusste niemand.
Dass wir heute ein anderes Weltbild haben, ist das Werk der Wissenschaft und keine Variation neuer Legenden oder der Religionen. Die Kunstkantine stellt ab heute das künstlerische Werk eines Wissenschaftlers aus.
Horst Güntheroth ist Physiker und Wissenschaftsredakteur des „Stern“ eines zweifellos bedeutenden wöchentlich erscheinenden Magazins. Er ist nicht nur Physiker, er ist promovierter Physiker. Seine Dissertation hat er 1989 zu folgendem Thema vorgelegt:
Ergodisches Verhalten von Spin und Oszillator-Kette.
Wenn Sie unsere Einladung zu dieser Vernissage richtig verstanden haben, ist das Durchlesen, Verstehen und empirisches Nachvollziehen, der auf den 159 Seiten seiner Dissertation dargestellten Thesen von Güntheroth Grundvoraussetzung für das Verständnis meiner Laudatio, die sich ursprünglich in der ersten Stunde der Redezeit zunächst mit Unplausibilitäten im sog. Ergodentheorem auseinandersetzen sollte.
Als ich allerdings mal vorsichtig angefangen habe zu recherchieren, was ERGODISCH bedeutet, schlugen mir Formeln des „Ergodentheorems“ entgegen, bei denen ich ihnen versichern kann, dass sie mir für alle Zeiten intellektuell unzugänglich bleiben, obwohl ich im Abiturzeugnis mit einer ehrlichen 5 ausgestattet bin.
Vor dem wissenschaftlichen Background mit dem Güntheroth ausgestattet ist, verneige ich mich. Gleichsam wirkt der Titel der Ausstellung „Magic Milky Way“, die „magische Milchstraße“, in beruhigender Weise schön süß und gefällig auf mich und läßt mich an „en bleu“ verpackte Schokoladenriegel mit Sternchendeko denken.
Der Künstler, den wir ausstellen, ist so ganz anders!
Das Universum oder Bilder des Universums sind für Güntherroth zwar Inspirationsquelle, aber er ist keine Spaceartist, er will nicht verkitschen oder verklären. Seine Vorlagen sind oft Fotos, deren Farben, Konstellationen und Strukturen ihn anregen. Das Vorwissen eines Physikers trifft auf das Kosmische Feuer, dass diese Fotos wiedergeben. Das ist für Günteroth genügend um Faszination um Abenteuerlust zu wecken.
Ich gehöre zu der Generation, so muss ich gestehen, der das All mit Science-Fiction näher gebracht wurde. Star Wars mit Geschichten über Prinzessin Leya und Luke Skywalker, Star Trek mit den unvergessenen „Borg“-Folgen, bei denen die würfelförmigen Borg-Raumschiffe durch das All flogen um nach der Ansage „Assimilieren Sie sich, Widerstand ist irrelevant“ ganze Planeten zu versklaven. Unvergessen wird mir auch der in diesem Monat verstorbene Hans Rüdiger Giger bleiben, der mit der Erschaffung des säuredurchströmten Weltraummonsters „Alien“ die Grundlage für eine 30 jährige-erfolgreiche Filmgeschichte lieferte.
Mit dem Vorwissen eines Physikers braucht es dagegen keiner Stories die dem Universum angedichtet werden müssen, da erzählt einem das reale Universum selbst die Geschichten. Wunderbar ist natürlich, wenn man sie auch noch aufschreiben kann. Güntheroth hat dies getan, beispielsweise in einer populärwissenschaftlichen Serie die in sechs Teilen im Stern erschien und die von Astrologie bis zum Urknall alles abdeckte, was für den Durchschnittsleser interessant sein könnte. Dabei bleibt Güntheroth bei den Fakten, die für sich gesehen faszinierend genug sind. Sterne, Sonnen und Galaxien, Lichtjahre, alles hat gigantische Ausmaße vor denen unsere menschliche Existenz objektiv nicht besonders bedeutend ist. Wenn ich eben sagte „populärwissenschaftlicher
Der Künstler kann ein nüchterner kritischer Zeitgenosse sein. Ich habe mit ihm die Kolumne von Rolf Dobelli im Stern „Das Leben ist voller Fragen“ diskutiert, weil bei dieser Serie ausgerechnet nun „Das Weltall“ drankam. Zur Erklärung kurz: Dobelli ist ein hochgehandelter Schweizer Sachbuchautor, der mit seinem Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ in den Bestsellercharts konstant oben liegt und vom Stern für diese Kolumne „Das Leben ist voller Fragen“ offenbar angeheuert wurde.
Ich stellte Horst Güntheroth hieraus z. B. die Frage, „Wieviel würden Sie hergeben, um den Erdaufgang auf den Mond zu erleben?“
Von einem Weltraumbegeisterten hätte ich doch nun Antworten erwarten können, wie „5 Jahre meines Lebens“, wahlweise der rechte Arm oder der linke Arm oder doch zumindest „alles Geld was ich habe“. Horst Güntheroth gab mir jedoch nur das Statement
„Ich leide unter Höhenangst“
zurück.
Eine knappe Antwort bekam ich auch auf die Dobelli-Frage: „Wie peinlich ist es Ihnen, dass außerirdische Zivilisationen unsere Fernsehprogramme empfangen können?“
Ohne nähere Differenzierung antwortete mir der Künstler:
„Sehr peinlich“.
Ich wette, dass jeder von uns jetzt eine Sendung im Kopf hat, die er außerirdischen Zivilisationen besser nicht zumuten möchte.
Volksmusik, Dschungelcamp, Karnevalssendungen und ein erheblicher Anteil des Programms von RTL II fallen einem da ein.
Möglicherweise haben außerirdische Zivilisationen bereits eine Indexierung verhängt, damit die Alien-Jugend nicht von irdischen Sendungen oder Politikern verdorben wird. Ich sehe sie vor mir, die Alienmutter, wie sie ihrem Alienkind einen Tentakel vor das Sechsauge hält, wenn Ursula von der Leyen auf dem Bildschirm zu sehen ist.
Dass Horst Güntheroth nicht nur Wissenschaftler und Autor sondern auch noch Maler wurde, ist biografisch bedingt, wobei wir hier schön Anlass und Ursache auseinanderhalten können.
Schon in seiner Jugend pendelte der Künstler zwischen Planetarien und der der Dokumenta, einerseits fasziniert von der ausrechenbaren Ästhetik des Universums, andererseits angezogen von der Freiheit die Künstler haben, wenn sie auf Basis von Emotionen und Intuition Kunstwerke schaffen. Die Naturgesetzte der Physik im Kontrast gegen die Spielarten der menschlichen Phantasie. In der Kunst entwickelte Horst Güntheroth eine Vorliebe für die Werke von William Turner, Cy Twombly, Gotthard Graupner und Herbert Brandel um Einige zu nennen.
Der Anlass, weshalb Horst Güntheroth 1996 mit dem Malen begann, war dagegen ein konkreter. Er bezog eine geräumige neue Wohnung und störte sich an den unbekleideten Wänden. Nunmehr begann für ihn eine Tournee durch Galerien und die Ateliers von Künstlern, um entsprechende Flachware zu beschaffen, damit sie die kahlen Wände seiner Wohnung ziert.
Dass, was Horst Güntheroth dort auf seiner Bildbeschaffungstournee sah und betrachtete, fand nicht sein uneingeschränktes Gefallen und er konnte sich nicht mit den Werken identifizieren.
Wir haben vorhin schon mal gehört, dass unser Künstler durchaus kritisch mit Kulturerzeugnissen umgeht.
Also ging er selbst zu Werke um nach seinen Vorstellungen das Optimale zu schaffen.
Einiges hat sich in seiner Malerei in den 18 Jahren bis heute nicht geändert. Bis heute malt Horst Güntheroth ohne Staffelei. Er legt die Leinwand auf den Boden und malt kniend oder hockend vor dem Werk.
Dies ist offenbar der Initiation geschuldet, dass auch das erste Werk in dieser Weise entstand. Never change a winning team. Oder besser gesagt never change a winning sceme, in diesem Fall.
Überhaupt hat die Kunst von Horst Güntheroth einige pragmatische Aspekte. Die Formate seiner Bilder dürfen nach seiner Auffassung nicht größer sein, als die Innenmaße seines Volvos, genauer gesagt von dessen Kofferraum und er malt in Acryl, weil ihm Ölfarben nicht schnell genug trocknen, um einen dynamischen Malprozess durchzuhalten. Von seiner Kunst sagt Horst Güntheroth, dass sie nichts Belehrendes oder Didaktisches haben soll, der Rezipient soll sich durch seine Werke unterhalten fühlen und sich bestenfalls in sie verlieben.
Mein Damen und Herren, die Kunstkantine empfiehlt Ihnen die hier ausgestellten Werke nachdrücklich zum Verlieben und
naturellement auch zum Kauf.
Sie machen damit keinen Fehler.
Der Künstler geht mit wissenschaftlichem Vorverständnis an die Motive heran, dementsprechend wird er sich nicht gerade mit den profanen und unwichtigen Sujets im Universum befassen. Er ist mit den „Bigpoints“ befasst, hinzugedichtet oder illustriert muss nichts mehr, Spaceart und Science-Fiction sind woanders.
Gleichzeitig erwerben Sie aber auch ein Werk, das auf seine Weise emotional und intuitiv ist. Horst Güntheroth hat mir erzählt, dass die gefundenen Motive bei ihm ein Feuer entfachen, dass ihn so wörtlich: „Heiß auf Bild“ werden lässt.
Und so kommt der Brückenschlag vom wissenschaftlichen Vorverständnis zur Muse zustande, die Güntheroth solange weiterarbeiten lässt, bis, so wieder wörtlich: „Die Spannung dargestellt ist, wenn keine Verbesserung mehr möglich erscheint“.
Letztlich spricht aus den Werken von Güntheroth nicht Science-Fiction sondern Science and Emotion.
Neben dem emotionalen Gepäck das ein Kunstwerk mit sich trägt, ist auch die Wirkung auf den Betrachter ein ausschlaggebender Faktor. Schon der Titel kann einen zum Nachdenken animieren. Was ist beispielsweise eine „Protuberanz“ ?, so der Titel eines der hier ausgestellten Werke.
Ich musste es Nachlesen. Protuberanzen sind Sonneneruptionen, die die eine Ausdehnung von 200.000 bis 1 Mio. km haben können, ausgebildet als kringelartige Loop-Protuberanzen mit einer Höhe von mehreren 10.000 km oder als hübsch anzusehende Brücken-Protuberanzen.
Die New York Times hat einmal einen großen Artikel unter der Überschrift : „Does science matter ?“ verfasst und darin erwähnt, das 90 Prozent der erwachsenen Amerikaner sich für wissenschaftliche Entdeckungen interessieren, andererseits aber nur 50 % wissen, dass der Erdumlauf um die Sonne ein Jahr dauert. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die richtige Antwort gegeben hätte. Das Werk von Günteroth hat mir die Physik, von der ich fasziniert bin aber in der ich nie Fähigkeiten hatte wieder nähergebracht.
Danke, lieber Horst, dafür.
Ja, meine Damen und Herren, Der Künstler wünscht sich, dass sie sich in seine Werke verlieben. Heute Abend haben sie schonmal die Gelegenheit einen heftigen Flirt mit den Bildern von Horst Güntheroth zu beginnen.
Sollte es beim ersten Mal zwischen der „Protuberanz“ und ihnen noch nicht funken oder sie nicht so stürmisch und feurig sind, dass sie sich gleich verlieben, so schauen Sie an den Wochentagen mittags gern wieder bei uns herein. Unsere Kantine am Rande des Universums freut sich, sie wiederzusehen. „Assimilieren Sie sich, Widerstand ist irrelevant“, wie die Borg sagen würden. Geben sie sich dem Bilderrausch und wunderbarem Essen hin.
Ich danke für ihre Aufmersamkeit und wünsche Ihnen einen schönen Abend.“
Bernd Roloff