NEW YORK – ANALOG
Einladung
Rückseite
Die Formatierungen der Laudatios werden derzeit überarbeitet. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Laudatio
Laudatio 04. März 2016
-Nissis Kunstkantine-
Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine,
herzlich willkommen, hier in Nissis Kunstkantine, der Oyster Bar der guten Kunst, hier in der HafenCity.
Mein Name ist Bernd Roloff, ich bin der Keynote Speaker der Kunstkantine und begrüße euch aufs Herzlichste zur 21. Vernissage der Kunstkantine, seit ihrer Eröffnung im März 2013. Die Vernissage gilt den Werken von
Christian Brinkmann
die von heute bis zum 27. April 2016 in der Kunstkantine zu sehen sind.
Nach mir spricht heute noch Frau Astrid Prühs. Ihr werdet sehen, wir ergänzen uns wunderbar. Sie hat sehr schön zur Technik und zur Metaphysik der Fotografien von Christian geschrieben. Ich werde, wie immer, ausschweifend den Kontext der Werke zum Zeitgeschehen, zu Hamburg und überhaupt zum Universum darstellen.
Dafür bin ich da, ich weiß, dass ihr das erwartet.
Der Titel der Ausstellung lautet
New York analog
New York analog, meine Damen und Herren, es könnte schöner nicht sein. Ich weiss jetzt gar nicht, wo ich anfangen soll. Bei New York oder analog. Analog hat ja etwas von Kuscheligkeit. Für mich eher akustisch als visuell.
So ein schöner Plattenspieler von Dual, wo man noch den Tonarm von Hand drauflegen muss, spielt eine Vinylplatte ab. Das ist ja wieder jetzt schwer angesagt. Z. b. mit leichtem Knastern eine Udo Jürgens Langspielplatte und dann : „Ich war noch niemals in New York“
Wir erinnern uns mal an die Lyrics :
Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii,
ging nie durch San Francisco in zerriss’nen Jeans.
Auf Hawaii war ich nie, in San Francisco auch nicht. Dafür war ich dreimal in New York. Das letzte Mal vor 23 Jahren zu Sylvester. Ich bin dann mal mit der Concorde eingeflogen. Ihr habt richtig gehört : Mit der Concorde, von Paris aus. Heute nicht mehr wiederholbar. Doller Flug, es waren kaum Leute im Flieger und es wurde dreieinhalb Stunden gegessen und getrunken und man konnte sich nach hinten setzen und erstmal eine rauchen. Dazu noch einen schönen White Russian trinken.
Nach der Landung bekam man einen Aufkleber auf den Pass, da stand drauf „Follow the blue lane“. Das erwies sich als hilfreich. Da musste man dann nicht mit dem Volk – das ja meistens faules Obst oder einen schlecht getrimmten Pudel bei sich hat, vor dem Immigration Counter rumwarten, sondern wir wurden durchgewunken.
Satt und besoffen gings dann ins Hotel, natürlich der erste Luxuskasten am Platze. Erstmal ausschlafen, dann sich hübsch machen und dann auf die Straße und dann ist da New York in der Dämmerung und die 5th Avenue brodelt vor Leben und alles ist ganz wunderbar, besser als im Film.
Flanieren reicht fürs Erste, so überwältigend ist der Eindruck.
Eine radiante urbane Kraft entfaltet sich in New York. Menschen auf dem Weg zum ersten, zweiten oder dritten Job des Tages, auf dem Weg ins Theater, ins Museum, zum Shoppen oder einfach nur nach Hause in Manhattan oder zur Grand Central Station zum Zug nach Brooklyn oder Queens, der sie nach Hause bringen soll. Die Dynamik der Straße in diesem Sinne hat Christian z.B. in dem Werk „Taxi Driver“ eingefangen.
Ich habe mir vorgenommen, in der Oyster Bar des Grand Central Station einmal einzukehren. Da gibt es Auswahl. An einem ganz normalen Montag im Februar hat man die Auswahl zwischen 22 Sorten Austern. In einem Bahnhofsrestaurant !
Meine Damen und Herren, ein Bahnhofsrestaurant mit 22 Sorten Austern. Das ist typisch New York. Man muss diese völlig maßlose Stadt einfach lieben.
Mir gefällt es heute, die Kunstkantine als die Oyster-Bar der guten Fotografie zu rühmen. So platt das klingt, die Auster ist ja auch schwarzweiss und delikat.
Ich darf dann mal zu nächsten Delikatesse gleich um die Ecke von der Grand Central Station kommen. Es sind die ästhetisierenden Darstellungen des Chrysler Buildings, die Christian Brinkmann hergestellt hat. Hier ein Beispiel, in einer Art Twilight-Athmoshäre.
Der Art Deco Baustil der Spitze des Gebäudes erhebt sich über der stilistisch eher breiigen Nachbarschaft. Interessant ist die Geschichte, wie es zu dem Gebäude kam. Ein Hersteller für Fahrgeschäfte auf Jahrmärkten hatte sich das Gelände gesichert und beschloss nicht selbst zu bauen, sondern das Gelände mit einer Projektierung für ein beeindruckendes Hochhaus zu verkaufen. Das Ganze sollte vor allem auf dem Papier erstmal nett aussehen.
Er beauftragte einen Architekten, der vom Hochhausbau absolut überhaupt keine Ahnung hatte, aber ein guter Designer war. Und der legte dann los. Walter Chrysler hatte auch keine Ahnung vom Bauen, aber fand, dass die Nähe zur Grand Central Station für einen Wolkenkratzer Sinn machte. Ein Bahnhof ganz in der Nähe für den Transport der Angestellten, die die Büroflächen bevölkern sollten. Und Chrysler hatte einen großen Vorteil. Er hatte Geld.
Chrysler hatte sein Berufsleben als Putzmann bei der Eisenbahn begonnen und sich zum Manager von Automobilfirmen hochgearbeitet, wo er vor allem als Sanierer unglaublichen Erfolg hatte und Riesengehälter bezog. Außerdem hatte er nach gewagten Börsenspekulationen Kasse gemacht und dann beschlossen Autos zu produzieren. Und siehe da, auch das klappte. Er verkaufte im ersten Jahr 32.000 Autos. Sie wurden ihm praktisch aus der Hand gerissen.
Chrysler erwarb Gelände und Konzept für 2,5 Mio USD und wies den Architekten an schnell voranzumachen und vor allem das höchste Gebäude der Welt zu bauen, wobei die Bank of New York aus dem Feld zu schlagen wäre, die an der Wall Street das gleiche vorhatte. Legendär ist die Episode, das Chrysler in einen Handstreich eine höhere Spitze als die Bank of New York aufmontierte und so den Konkurrenten überholte. 9 Monate war das Chrysler Building das höchste Gebäude der Welt, dann wurde es vom Empire State Building überragt. Die Gesamtkosten für die Erstellung des Chrysler-Buildings betrugen ca. 15 Mio. US $, umgerechnet auf den Quadratmeter Bürofläche gerade mal 135 US $. Ich muss wohl nicht weiter ausführen, dass dies ein historisch gutes Geschäft war.
Als zweiten Hauptgang serviere ich jetzt ein Steak. Mein Senior Chef hat immer gesagt, man muss die Steaks essen, solange man sie kauen kann. Insofern gibt es jetzt was zu beißen. Gemeint sind die Twintowers.
Das Foto trägt den Titel „World Trade Center“, hier in unserer Ausstellung zu sehen als Silbergelatine-Vergrößerung im Format 1 Meter 50 mal 55 cm, gerahmt.
Hier in der Kunstkantine zu erwerben für 3.450 €. Ein geringer Preis für ein Kaleidoskop an Assoziationen und Emotionen die sich bei jedem einstellen, wenn er dieses Foto betrachtet.
Das Foto ist im besten Sinne anstößig. Jeder weiß noch wo er war und was er gemacht hat, am 11. September 2001. Die bewegten Bilder von den Einschlägen der Flugzeuge und dem Einstürzen der beiden Türme, sie sind fester Bestandteil unseres Kopfkinoarchivs. Ich sagte das Foto ist anstößig : Was es anstößt, das sagt vielleicht auch etwas über uns selber aus.
Da gibt es die Verschwörungstheoretiker, diverser Couleur von „make it happen, to let it happen“ bis zur kontrollierten Gebäudesprengung oder bombenbeladenen Flugzeugen. Oder es gibt die „never forget, never forgive“ Fraktion, die niemals vergessen und niemals vergeben will. Tatsächlich hat der Angriff ja auch was mit Hamburg zu tun. Mohammed Atta, der das erste Flugzeug pilotierte, dass einschlug, studierte 7 Jahre an der TU Harburg herum und machte dort sein Diplom in Stadtplanung, offenbar mit dem Anspruch als erste praktische Übung destruktiv in die Stadtplanung von New York einzugreifen.
Darf man so ein Foto überhaupt aufhängen? Ist es nicht eine Provokation gegenüber unseren moslemischen Mitbürgern? Ist Provokation gesundheitsschädlich? Wer das Falsche zeichnet, meine Damen und Herren, der hat wie die Charlie Hebdo Redaktion gute Chancen von Männern mit Kalaschnikows besucht zu werden. Oder man besucht das falsche Konzert, z.B. ein Eagles of Death Metal Konzert in Paris. Will man das alles noch sehen und hören meine Damen und Herren? Jeden Morgen in den Nachrichten die neue Terrorwarnstufe und irgendwo ist immer eine Bombe hochgegangen. Heute Morgen Schlagzeile Bild-Zeitung : Terror Mädchen Safia (15) sticht Polizisten in den Hals.
Donald Trump tritt als Präsidentschaftskandidat an, mit dem Ziel, ein totales Einreiseverbot für Moslems zu verhängen. Hier zu Lande wird laut gelacht, über den Mann mit der komischen Frisur. Aber ist er nicht auch very New York?
Er hat ein halbes Dutzend gigantischer Immobilienprojekte in New York verwirklicht, mehrere Bestseller geschrieben und war Initiator und Moderator der Fernsehshow „The Apprentice“, einer Art Businesstalentshow, von der 175 Folgen produziert wurden und deren Format von 17 Ländern adaptiert wurde.
Donald Trump ist Gewinner des Supertuesdays von dieser Woche, einer Wahl des Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei in mehreren Staaten. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass er der nächste Präsident der USA wird. Sicherlich der Umstrittenste, den es je gegeben hat. Selbst seine eigenen Angestellten trauen ihm nicht, wie sich aus diesem interessanten Foto vom Trump-Tower aus der letzten Woche ergibt.
Für mich ist das Foto der Twin-Towers vor allem ein historisches Dokument. Mit dem 11. September 2001 begann der asymetrische Krieg gegen den politischen Islam. America under Attac meine Damen und Herren. Der Westen muss diesen Krieg gewinnen. Und der Westen wird ihn gewinnen. Dafür steht auch New York. Die Stadt war und ist ein Paradestück westlicher Urbanisierungskraft.
An dem Chrysler-Building wurde gerade mal 2 Jahre gebaut. Und das World Trade Center, genauer gesagt die Twin Towers hatten eine Bauzeit von 7 Jahren. Beide Gebäude hatten also zusammen eine Bauzeit von 9 Jahren. In 10 Jahren bekommt Hamburg noch nicht mal die Elbphilharmonie fertig. Auf die wirre Idee einen Glaspalast auf einen vergammelten Speicher zu stellen, wäre in New York sowieso niemand gekommen. Aber auch auf der grünen Wiese wird man in Berlin mehr als 11 Jahre brauchen, um einen Flughafen zu bauen. Die spirituelle Überzeugung, dass der Hauptstadtflughafen noch fertig wird, ist neuerdings als Religion anerkannt. Anders als spirituell ist auch nicht die Kostensteigerung zu verarbeiten, die beide Projekte im Laufe der Zeit erfahren haben.
Spiritualität oder Glaube, meine Damen und Herren, ist die innere Überzeugung des Einzelnen, was als absolut Gültiges hinter den Erscheinungen der Welt steht. In diesem Sinne ist es nicht falsch, an New York zu glauben. Jedes Bild dieser Ausstellung hilft uns dabei. Mit diesen Worten schließe ich meinen Vortrag, bedanke mich fürs Zuhören und gebe das Wort weiter an Astrid Prühs.