„Verborgene Schönheit“
Einladung
Rückseite
Die Formatierungen der Laudatios werden derzeit überarbeitet. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Laudatio
Laudatio 28. August 2015 -Nissis Kunstkantine-
Ausstellung „Verborgene Schönheit“
mit Werken von Monica Bohlmann und Rüdiger Knott
Willkommen liebe Freunde und Gäste,
hier im Bernsteinzimmer der HafenCity, in Nissis Kunstkantine.
Schön euch hierzuhaben. Mein Name ist Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine. Ich weiß nicht wie es euch geht, meine Lieben, wenn die Ferien zuende sind, droht man wieder verschlungen zu werden von den Problemen und der Entourage, die man ein paar Wochen mal Beiseite schieben konnte. Ich habe hier in der aktuellen Ausgabe von „Charlie Hebdo“ eine niedliche Karikatur gefunden, die die aktuelle Gemütslage wiedergibt :
Diese niedliche Schwimmerin ruft aus „ je veux rester en vacaaances“, sie will also lieber im Urlaub bleiben. Aber von unten kommt der Hai angeschwommen. Er hat z.B. Rechnungen im Maul, böse Taxifahrer, das Gedrängel in der Metro, das Fernsehen meldet ein neues Attentat und es gibt schon wieder ein neues iPhone usw.
Meine Aufgabe ist es, euch heute für einige Minuten abzulenken, von euren Sorgen um Börsenkurse und sonstigen Übelständen, euch also vor dem Zuschnappen des Hais oder Wals noch für ein paar Minuten zu retten.
Mit zur Performance der Laudatio gehört es, dass ihr gelegentlich „lauter“ oder „langsamer“ rufen dürft. Zu einem Headset mit angeschlossenem Lautsprecher haben wir es auch heute wieder nicht gebracht. Das ist eben ein Karma. Das grandiose Scheitern ist sowieso interessanter, als der Sieg. Jeder erinnert sich beispielsweise an den Satz „Houston wir haben ein Problem“ von Apollo 13.
Also, meine Damen und Herren, ich lege jetzt los, ohne Verstärkung. Erlaubt ist euch neben „Lauter“ oder „Langsamer“ auch der Zuruf „Nochmal“, den ich dann mit „Website“ beantworten werde. Alle Laudatien, die in der Kunstkantine gehalten wurden, sind auf der Website diese Etablissements nachlesbar. Wen es wirklich interessiert, der liest nach. Ist in 2,5 Jahren schon ganz schön was an Text zusammengekommen.
Der Titel der Ausstellung, den die Kunstkantine zeigt, lautet diesmal
„Verborgene Schönheit“.
„Verborgene Schönheit“ Wofür brauchen Sie einen Anwalt, haben sie was zu verbergen?
Ja, sagt die Kunstkantine, „Schönheit“.
So, der Anwalt, also ich, ist im Hause und rät seiner Mandantin auszusagen.
Gebt mir also die Hand und kommt mit mir nochmal auf einen letzten Strandspaziergang am Meer aller Möglichkeiten, aus dem die Kunstkantine für euch zwei dicke Fische an Land geborgen hat, damit die Schönheit für euch nicht verborgen bleibt, sondern sich entschleiert.
Monica Bohlmann und Rüdiger Knott.
Statt „Ladies First“ beginne ich uncharmanter Weise mit Rüdiger Knott. Er ist mir buchstäblich nahe. Ein Werk von ihm hängt über meinem Bett. Gleichzeitig spricht aus seinem Werk die Weite, denn die Materialien für seine Werke findet er zumeist an südeuropäischen Stränden, die er mit wachem Auge bestreift, um für seine Kunst Objekte zu finden, im Kunstjargon dementsprechend „Objets trouvées“ genannt. Gefundenes Objekt. „Objet trouvé“. Manches taugt als sog. „Readymade“. Ein Readymade ist ein Einzelgegenstand des Alltags, der im neuen künstlerischen Kontext präsentiert wird, ohne Veränderungen an dem Gegenstand vorzunehmen.
Angefangen oder jedenfalls einen Durchbruch erzielt, hat mit Readymades Marcel Duchamps, der ein handelsübliches Wandurinal kaufte und es gegen Bezahlung im Jahre 1917 in New York auf der Ausstellung der Society of Independent Artists unter dem Titel „The Fountain“ zeigen durfte.
Das Ganze sorgte zunächst für Empörung und anschließend für eine Erweiterung des Kunstbegriffs. Das Original ist verschollen. Duchamps lizensierte später insgesamt 12 Urinale, die an Museen verkauft wurden.
In die Sache kommt wieder Bewegung als 1993 ein Rentner in einer Ausstellung seinen Reissverschluss öffnet und die Fontäne entsprechend ihrer ursprünglichen Bestimmung benutzt und 2006 derselbe Rentner ein anderes Exemplar mit dem Hammer traktiert. Nun mag man denken, dass der Typ so einer ist, wie Herr Zorngiebel, der aggressive Nachbar von Donald Duck. Weit gefehlt. In den entsprechenden Gerichtsverhandlungen beruft sich der Täter auf die Kunstfreiheit und meint, er hätte eine Dekonstruktion vorgenommen, im mutmaßlichen Einverständnis mit Duchamps, der eine Heroisierung und Institutionalisierung seines Werkes nicht gewollt hätte. Das Gericht sah das anders. Es gab insgesamt 3 Monate Knast und 60.000.- € Geldstrafe.
Eine kleine Hommage an Duchamps ist das Werk „Duchamps Hühnergötter“ dass Rüdiger aus einer gefundenen Metallvorrichtung und Flintsteinen hergestellt hat. Dolles Ding.
Man kann also mit gefundenen Objekten auch Installationen oder Skulpturen herstellen. Wenn 2 Readymades kombiniert werden, dann spricht man übrigens von einem „assisted Readymade“ Rüdiger ist für meine Begriffe ein Meister der Assemblage, bei der aus gefundenen Gegenständen auf der Fläche Kompositionen entstehen. Die Werkschaffung verläuft bei Rüdiger intuitiv, d.h. es gibt keine Vorplanung. Rüdiger verfügt über einen Fundus von Objets Trouvées, die er in einem Lager sortiert aufbewahrt, soweit man diese Artefakte überhaupt sortieren kann. Ausgangspunkt von Installationen und Assemblagen ist dementsprechend eine zündende Idee und wenn die Flamme stark genug ist, dann fängt es an zu knistern. Eins kommt zum anderen und der Flow bestimmt Tempo und Kombination. Rüdiger hat stets betont, dass maßgeblicher Zweck seiner Werke sein soll, unterhaltend zu wirken. Der Rezipient und nicht der Künsler hat –wie in der modernen Kunst üblich- die Deutungshoheit. Rüdiger befindet sich auf keiner „Mission“ die dem Betrachter weiter gegeben werden soll.
Allerdings stiftet Rüdiger Knott den Erlös aus dem Verkauf seiner Werke schon immer ernstzunehmenden sozialen Projekten wie z. B. der Seemannsmission Altona e. V. Bei der Werkschaffung im Flow sein und mit dem Erlös was Gutes tun, dass hört sich doch an wie ein guter Plan, meine Damen und Herren.
An dieser Stelle schwingen wir uns rüber zu Monica Bohlmann, damit wir zum Gemeinsamkeiten und Unterschiede definieren. Auch bei Monica beginnt das Werk mit einem Fundstück. Es werden im Internet Bilder gesucht. Ist die Richtige gefunden, dann wird das Bild bearbeitet und auf Stoff transferiert. Anschließend beginnt der eigentliche Clou, nämlich die Stickerei. Das Stickmotiv kann digital am Computer konzipiert sein und wird von einer Stickmaschine übertragen und/oder es wird mit der Hand gestickt. So funktioniert jedenfalls die Werkschaffung bei den hier ausgestellten Werken. Im Gegensatz zu den Werken von Rüdiger haben wir also eine Verfremdung und Bearbeitung des Fundstücks. Aus einem Foto als reiner Flachware wird auf einmal etwas mit Struktur, dezent dreidimensional.
Achtung, jetzt wird es interessant. Während Monica Bohlmann künstlerisch in Richtung Dreidimensionalität aufpolstert, verwendet Rüdiger Knott in seinen Werken häufig sog. „Opferanoden“.
Diese Teile sind dazu da, der Korrosion mehr Angriffsfläche zu geben, als die übrigen Teile des Schiffs, sie opfern sich also für den Rest des Wasserfahrzeuges indem sie sich langsam auflösen.
Fazit also : Monica Bohlmann polstert auf, Rüdiger Knott polstert ab
Mein Lieblingsbild von den hier ausgestellten Exponaten Monica Bohlmanns ist das Bild „Clutch“.
So, jetzt kommt die Ratestunde ausschließlich für Herren, weil die Damen sowieso Bescheid wissen: Warum heißt dieses Bild „Clutch“. Das Bild heißt nicht „Slut“, das heißt Schlampe, „Slut“ kennen die Herren aus der Internet-Porno Auswahl. Gesucht wird die Bedeutung des Wortes „Clutch“.
Na, wer von den Herren weiß die Antwort ?
Richtig, es geht um die Handtasche, die die Dame in der Hand hält. Das ist eine Clutch. „To Clutch“ heißt übersetzt „Umklammern“. Die Tasche muss also in der Hand getragen werden oder zwischen Arm und Oberkörper eingeklemmt werden, weil sie keinen Gurt hat. Diese Art von Täschchen gab es bereits in den 20er und 30er Jahren, richtig in Gang kam aber die Tasche 1947 mit der ersten Christian Dior Collection 1947 mit dem Thema „New Look“. Die Tasche ist immer dann richtig, wenn nichts von der eleganten Abendgarderobe ablenken soll und auch kein Wocheneinkauf bei Penny geplant ist.
Nachdem dieses Rätsel gelöst ist, stellt sich die weit wichtigere Frage, wie wir denn präzise und gleichzeitig summarisch wir ein solches Werk bezeichnen wollen. Ich komme ja aus einer Seidenhändler-Sippe. Wenn neue bestickte Ware ankam, war immer großes Hallo. Diese Ware drehte sich langsam im Verkauf, war aber wunderhübsch anzusehen. Viel zu schade für die Kunden. Bestickt heißt embroidered. Ist Bild „Clutch“ ein embroidered Readymade, also ein besticktes Readymade. Ich finde das verkürzt die Wirkung.
Hier ist der Stick nicht Selbstzweck, sondern er dient der Gesamtwirkung. Die Stickerei polstert auf. Den Schönheitschirurgen im Publikum kommt jetzt der Begriff „Augmentation“ in den Sinn. Vor allem bekannt von der Brustaugmentation, nicht wahr. Von Körbchen A zu mindestens C. Ist das ein augmented Readymade. Ist das überhaupt noch ein Readymade, weil das Foto ja verfremdet und übertragen wurde? Tja meine Damen und Herren das ist was für die Expertenrunde, bei schwerem Cognac und Zigarre. Nennen Sie es wie sie wollen, ich bin jedenfalls schwer beeindruckt von diesem Bild.
Wo wir gerade bei schweren Eindrücken sind. Rüdiger Knott hat eine braune Kinderpuppe mit einer Tasche (ist das eine Clutch ?) in 3 Holzkisten gesetzt und dieses Werk „Irgendwann flüchte ich über das Mittelmeer“ genannt.
Für mich ist diese Assemblage das bedrückendste Werk, das seit Eröffnung der Kunstkantine im März 2013 ausgestellt wurde.
Jeden Tag steigen Menschen in Boote, lassen ihr gesamtes Hab und Gut zurück, bezahlen Schleuser und werden in völlig überladenen Booten wenige Kilometer z. B. vor der lybischen Küste ausgesetzt. Die Küstenwache südeuropäischer Länder übernimmt alle Anstrengungen, um diese Menschen aus ihrer hilflosen Lage rechtzeitig zu retten. Andere versuchen es über den Landweg, etwas weniger gefährlich, aber dennoch in lebensgefährlicher Weise strapaziös. Ein sehr großer Anteil dieser Flüchtlinge will nach Deutschland.
Es wird im Jahre 2015 mit einer Rekordzahl von 800.000 Asylanträgen gerechnet. Hinsichtlich dieses Sachverhaltes gibt es kritische Stimmen die in der Tonlage moderat bis radikal sind.
In diesem Kontext sollte einmal überlegt werden, wie reagiert worden wäre, wenn der eiserne Vorhang noch bestünde, die Flüchtlinge also vor dem Kommunismus flüchten würden. Niemand aus der Konservativen bis rechten Ecke würde sich beschwert haben, wenn in dieser Höhe Asylanträge von Flüchtlingen aus dem kommunistischen Ausland gekommen wären, war doch der Kommunismus der Feind, ein System das jedenfalls in der Praxis Repressionen sowie gesellschaftliche und ökonomische Verarmung erzeugte. Nun denn, es hat sich im Vergleich mit der politischen Polarität von vor 25 Jahren lediglich ein Wechsel im „Ismus“, also in der Ideologie ergeben. Heute haben wir es mit den Islamismus zu tun, der ebenfalls in seiner praktischen Ausprägung Terrorregime erzeugt.
Im Ergebnis flüchten die Menschen vor einer Konfessionalisierung ihrer Länder. Im „arabischen Frühling“ wurden einige Despoten beseitigt und in dem dadurch entstehenden Vakuum fasste die Scharia Fuß und mit ihr die nächste Garde von Despoten, Idioten und Verrückten. Wenn wir Flüchtlinge aus dem Kommunismus aufgenommen haben, bzw. aufgenommen hätten, dann kann die Entscheidung bei Flüchtlingen vor dem Islamismus nicht anders ausfallen. Und dass wir Flüchtlinge vor dem Kommunismus aufgenommen hätten, dafür bestand ein breiter gesellschaftlicher Konsens.
Für eine Einwanderung hat Deutschland bisher keinen Plan. Im Unterschied zu Amerika, wo die Migranten gerne Amerikaner werden wollen, kommt kaum einer zu uns, um Deutscher werden zu wollen. Aber vielleicht wollen sie Wahlhamburger werden und bleiben. Einer in unserer Runde hat Hamburg von seiner besten Seite gezeigt und zwar Flüchtlingskindern aus dem Lager Schnackenburgsallee. Dieter Lohberger hat die Aktion einfach „Ein schöner Tag“ genannt : Hafenrundfahrt, Pizza essen, Stadionbesichtigung und dann noch auf den Dom. Dieter, das hast du gut gemacht. Ich will da irgendwie mitmachen und wenn jemand im Saal den Wunsch hat, sich ebenfalls zu beteiligen, möge er sich auch bei Dieter melden.
Freude erzeugen, eine bessere Werbung für Hamburg kann es nicht geben. Schöne Kindheitserlebnisse bleiben oft unvergesslich.
Meine Damen und Herren, Ihnen bleibt dieser Abend unvergesslich, wenn Sie sich dazu entschließen, eines der Werke von Rüdiger Knott noch heute abend zu erwerben. Sie machen damit keinen Fehler. Da ist zum einen der Unterhaltungseffekt den Sie für sich selbst erwerben, zum anderen ergibt sich automatisch ein Gesprächsthema, wenn mal Besuch kommt. Kombiniertes Strandgut hat ja nun nicht jeder an der Wand hängen oder auf dem Tisch stehen. Rüdiger Knott möchte sich kunsthistorisch in der sog. Arte Povera verortet sehen. Die Arte Povera begann mit einer Bewegung von bildenden Künstlern aus Rom und Norditalien in den 60er und 70er Jahren. Ich war neulich in Mailand, da ist so einiges aus dieser Richtung in den dortigen Museen zu sehen. Eine der Ziele der Arte Povera ist es, die Ausdehnung der Sphäre des Sinnlichen zu erreichen. Die moderne Tendenz aber ist es, die Sinne technisch zu ersetzen, weil es einfach und reizvoll ist. Wir sitzen tagsüber vor den Computer und abends vor den Fernseher. Da wird zwar der Sehsinn beschäftigt – aber nur mit flimmernden Rechtecken. Setzen Sie in diesem Sinne mit Knott in diesem Sinne einen Kontrapunkt in Ihrer Umgebung.
Im Gegensatz zur Arte Povera ist das Werk von Monica Bohlmann planvoll und prächtig. Aus verschiedenen Gründen können die Werke von Monica Bohlmann in der Kunstkantine nicht gekauft werden. Trotzdem muss ihnen die Schönheit der Werke nicht verborgen bleiben. Die 17. Ausstellung der Kunstkantine läuft bis zum 28. Oktober dieses Jahres. Besuchen sie die Kantine Mittags für ein leckeres Essen oder buchen Sie Ihren Event, wie Geburtstage, Firmenfeiern und Ähnliches bei meiner Frau Nissi, der Namensgeberin der Kunstkantine.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat von Jonathan Meese meine Laudatio beenden:
Kunst ist Abenteuer. Der Künstler ist Käpt´n Ahab, der im Maul des weissen Wals verschwindet und bevor er runtergeschluckt wird, dem Publikum noch einmal zuwinkt.
Ich winke ihnen also zum Abschluss noch einmal von meiner Laudatorentreppe noch einmal zu und hoffe spätestens in 2 Monaten dem Grauen des Hamburger Herbstes entsteigen zu können, um sie wieder zu unterhalten.
In diesem Sinne Vielen Dank fürs Zuhören und bis bald.
Bernd Roloff