# „Was das Auge in der Welt sieht!“
Einladung
Rückseite
Die Formatierungen der Laudatios werden derzeit überarbeitet. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Laudatio
Laudatio Bernd Roloff
Liebe Freunde der Kunstkantine,
ich heiße euch herzlich willkommen zu der Vernissage für die Werke von Bernd Harms die unter dem Thema steht :
„Was das Auge in der Welt sieht“.
Schönen Dank das ihr gekommen seit. Es folgt jetzt die Laud…atio und ich bitte um eure geschätzte Aufmerksamkeit.
In einer Diskothek heißt der Diskjockey, der an die Diskothek gebunden ist „Resident DJ“. Es ist meine 6. Laudatio, seitdem die Kunstkantine vor etwas über einem Jahr ihre Pforten geöffnet hat. Ich sehe mich also bereits als Resident-Laudator an und höre von nun an auf die stilvolle und schmissige Bezeichnung „Resident-LD“.
Meine Aufgabe ist es heute Abend die Kunst von Bernd Harms anzusagen, eine Aufgabe die ich mit dem größten Vergnügen übernehme, weil die Kunstkantine mit ihm wirklich wieder einen wunderbaren Künstler an Land gezogen haben. Deswegen komme ich jetzt gleich zur Sache, mit dem Ansagen der Kunst. Ich sage bewusst ansagen und nicht erklären. Wie wir heute Abend noch hören werden, hat Ihr eigenes Verständnis von den Bildern, die Sie sie hier sehen, sowohl nach dem Willen des Künstlers, als auch kunsttheoretisch den wohl höchsten Wert.
Auf den Bildern von Bernd Harms gibt es fast immer etwas figurativ Gemaltes. Da sind beispielsweise Gebäude, Wasser- und Landfahrzeige und auch Personen von ihm figurativ von ihm gemalt worden. Das ist erleichternd, insbesondere für diejenigen, die mit rein abstrakter Kunst überhaupt nichts anfangen können.
Einerseits wurde die abstrakte Malerei als Befreiung von den Einengungen der figurativen Malerei begriffen. Andererseits muss man mit der Freiheit auch etwas anfangen können und manchmal beschleicht einen beim Anblick der Werke einiger abstrakter Künstler schlicht das Gefühlt, das sie einem gar nichts vermitteln, das man mit ihnen nichts anfangen kann.
Bei Harms ist das anders. Der Blick kann schon mal an etwas gegenständlich Gemaltem haften bleiben, was man erkennt oder wiedererkennt. Andererseits ist das Figurative in den Bildern von Harms nicht völlig realistisch durchgemalt, sondern reduziert dargestellt. Geometrie, Proportionen, Dimensionen, Licht, Perspektive und vielleicht flüchtige Details reichen aus.
Das Figurative in den Bildern erscheint wie ein Snapshot, ein Schnappschuss, unstilisiert. Deswegen hat man den Eindruck, als hätte man das Figurative in den Bildern von Harms irgendwie schon mal gesehen. Ich persönlich hatte Art Déjà vu bei diesem Bild, mit der aufgeständerten Hütte. Und ich bin bestimmt nicht der Einzige hier im Saal, der an Sankt Peter Ording denkt, wenn er dieses Bild sieht. Aber gleichzeitig hat das Bild auch Störer, wie z.B. Fahrbahnmarkierungen. Und man erkennt auch eine offenbar von Seeluft angemorschte und ausgebleichte Holzkonstruktion auf der seltsamerweise ein Orientteppich liegt und die Farben von Sand, Meer und Himmel sind etwas zu lieblich für die Nordseeküste.
Meistens steht das, was Harms figurativ malt, in einem abstrakten, informellen Kontext. Wilde Farben, multiple Maltechniken, hier lässt der Künstler los, hier wird es zuweilen tosend und sogar toxisch. Es herrscht darüberhinaus ein Stilpluranismus. Das muß auch so sein.
Bernd Harms will in seinen Bildern Spannungen erzeugen. Das Figurative wird dem Abstrakten gegenübergestellt oder das Figurative wird in Abstraktes eingebettet und dann kommen Farben hinzu, die Stimmungen des Betrachters entweder tragen oder beeinflussen oder konterkarieren. Bei dem Sankt Peter Ording Gemälde fühle ich mich durch die Farben in lieblicher mediterraner Weise beeinflusst, ganz entgegen meinen konkreten Erfahrungen. Wer in Sankt Peter Ording schon mal war, weiß ja, das dies ein ganz und gar unmöglicher Ort ist. Wenn man Baden gehen will, ist das Meer gerade weg und der Wind weht unangenehm, weshalb man die Augen zusammenkneifen muss und Himmel und Strand dann irgendwie zu einer diffusen hellgelben lästigen feindseligen Wand zusammenschmelzen, vor der man am Liebsten umkehren möchte.
Gleichzeitig weiß man allerdings auch, dass man es da schön finden sollte : Nordseebad, Natur und Tradition : Inspirationsquelle für Hobbydichter… Beispiel aus dem Netz: „Lass meine Seele fliegen, lass meine Gedanken fliegen, denn dann bin ich frei, dann bin ich froh, bei Dir zu sein, mein SPO.
Nochmal zum Mithören, für die Zyniker unter uns : „Dann bin ich frei, dann bin ich froh, bei dir zu sein, mein SPO.“
Jetzt, meine Damen und Herren, kommt der Moment einer holperigen Überleitung :
Von SPO wollen wir zu E C O . Sie haben richtig gehört, ECO, gesprochen ECO, also kommen wir jetzt zu Umberto Eco, dem Publikum besonders bekannt durch diverse Bestseller wie „Der Name der Rose“ oder „Das Foucaultsche Pendel“.
Allgemein weniger bekannt ist, das sich Umberto Eco auch um die Kulturtheorie besonders verdient gemacht hat, durch sein 1962 erschienenes Buch „Opera Aperta“, das trotzdem immerhin 11 Jahre brauchte, um 1973 auf Deutsch unter dem Titel „Das offene Kunstwerk“ zu erscheinen.
„Offen“ ist nach Umberto Eco ein Kunstwerk, wenn der Inhalt des Werkes verschieden lesbar ist. Die Intention des Rezipienten muss nicht dieselbe Intention sein, wie die des Künstlers oder des Werkes allgemein. Kunstwerke transportieren demnach keinen eindeutigen Sinn, der lediglich passiv aufgenommen wird, sondern gewinnen in jeder Interpretation eine neue, eigene Bedeutung.
Eco wurde mit seinem Buch „Opera Aperta“ in der Wissenschaft schlagartig berühmt, lange bevor er dem Publikum mit seinen Romanen bekannt wurde. Das wirklich Neue an Ecos Theorie des Offenen Kunstwerkes war, dass der Rezepient, also in der Malerei der Betrachter, auf einmal enorm aufgewertet wurde. Plötzlich ging es nicht mehr darum, aus einem Bild die Intention des Künstlers herauszufummeln, sondern auf einmal bekam die Interaktion zwischen Kunstwerk und Betrachter einen Eigenwert ! Das Kunstwerk wird nach Eco erst durch den Betrachter und seine Rezeption überhaupt zum Kunstwerk, jedenfalls wird es dadurch erst vollendet.
Warum erzähle ich Ihnen das nun an dieser Stelle. An den Werken von Bernd Harms lässt sich sehr gut die Theorie vom „offenen Kunstwerk“ erklären. Bei Harms haben wir figurative Bestandteile, der Rest des Bildes und was es aussagen soll, ist die Projektionsfläche für eigene Überlegungen oder Empfindungen des Betrachters.
Bernd Harms wünscht sich allerdings, dass der Betrachter keine unmittelbare Bewertung oder Interpretation vornimmt, sondern dass der Betrachter zunächst, „das Auge sehen lässt, was es sieht“. Je nachdem, wie wir kognitiv gepolt sind, verbeißt sich unser Blick zunächst in Demjenigen, was figurativ gemalt ist und nimmt dann, das Informelle bis Abstrakte wahr oder es geht eben anders herum. Zunächst nehmen wir das Große Theater der Farben und Techniken wahr und dann erst das Schauspiel des Figurativen oder der Gegenstände.
Probieren Sie es heute Abend aus, meine Damen und Herren. Fühlen Sie sich als Betrachter im Sinne von Umberto Ecos „Opera Aperta“ mit einbezogen in das Kunstwerk und machen Sie es dadurch erst zum Kunstwerk oder vollenden Sie es durch ihre Imagination.
An dieser Stelle kommt jetzt die Anekdote dieser Laudatio. Wer keine Anekdoten hören mag, der schaltet bitte für 2 Minuten auf Standby :
Es war vor etwa 10 Jahren. Es war heiss in Hamburg, also wollte ich mit Familie an die See. Wer am Samstag erst Mittags aufsteht, kommt nicht mehr weit, allenfalls nach Skt. Peter Ording.
Um 17 Uhr nachmittags schob ich mit dem Kinderwagen an den Strand. Ich sah das Meer nicht, dafür sah mich ein Kurtaxenkassierer, der sich mir auch prompt in den Weg stellte und von mir Geld haben wollte.
Ich sagte zu ihm in meinem knauserigen klimakterischen Leichtsinn: „Aus dem Weg, hier haben Sie meine Visitenkarte. Um 5 Uhr nachmittags zahle ich keine Kurtaxe mehr, sondern berufe mich auf mein Grundrecht auf Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Wenn Sie was von mir wollen, dann verklagen Sie mich.“
UND so kam es. Ich wurde von der Gemeinde Sankt Peter Ording auf 3,50 € Kurtaxe plus Anwaltskosten verklagt.
Wegen DREI EURO FUFFZICH !
Der Anwalt der Gemeinde SPO ließ kein gutes Haar an mir!
Ich schrieb einen 8-seitige Klageerwiderung und lud Bild und Morgenpost zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg ein. Einen Tag vor der Verhandlung nahm die Gemeinde Sankt Peter Ording Ihre Klage zurück. Die Enttäuschung war groß, keine Verhandlung mehr, aber meine Damen und Herren, ich bekam insgesamt 70 € Kostenerstattung von der Gemeinde Sankt Peter Ording ! Was sagt man dazu? Ich bin also mit Sankt Peter Ording im Reinen !
Heute bin ich frei, heute bin ich froh, ich verzeihe dir, mein SPO.
Die Anekdote überläd natürlich das Bild von Bernd Harms vollkommen. Es sind mitgebrachte banale Assoziationen. Andererseits hat er mir Bernd Harms gesagt , dass seine Bilder erst 20 % der Geschichte erzählen, die übrigen 80 % liegen beim Betrachter. Damit liegt es in der Natur der Sache, dass jeder seine eigene Geschichte zu einem Bild ausdeuten soll. Es gibt schweres und leichtes Gepäck auf diesem Weg.
Eco unterscheidet in seinem Buch „Das offene Kunstwerk“ zwischen Information und Bedeutung.
Bernd Harms liefert auf seinen Bildern zumindest die Information, dass sind die 20 % die sie wahrnehmen, wenn sie zunächst, wie er es verlangt, Ihre Augen sehen lassen.
Die Bedeutung wird nicht mitgeliefert, aber es werden Tendenzen geliefert, mit Farben und Maltechniken. Es werden Spannungen geliefert, zwischen den figurativen und den informellen Bestandteilen des Bildes und schließlich mit Farben und Maltechniken aber auch mit ungewöhnlichen Umgebungen, in denen das Figurative steckt, Stimmungen angeschlagen oder vermittelt.
Wenn Sie ein Kunstwerk dann noch nicht anmacht, empfiehlt Eco gedankliche Spekulationen über die Entstehungsgeschichte des Kunstwerkes anzustellen und so Zugang zum Werk zu bekommen und es dann, angelehnt an die Dynamik der Werkherstellung, nochmals mit einer Deutung zu versuchen.
Wir erinnern uns : Das Kunstwerk, wird erst durch die Rezeption durch den Betrachter zum Kunstwerk. Es gilt nicht, die Intention des Künstlers herauszufinden sondern gewünscht und kulturell fördernd ist gerade die Deutungspluralität.
Wir sind daran gewöhnt, dass man von uns im täglichen Leben ständig verlangt, auch ja vollständige Angaben zu machen und wir unterwerfen uns dieser Disziplin aus Sachzwängen. Beispiele sind Verträge, Lebensläufe, Fragebögen jeder Art, ein besonderes Kapitel sind Online-Abfragen, bei denen uns abverlangt wird, womöglich im Licht einer Schreibtischlampe, die Nummer der Kreditkarte abzulesen. Von der Einführung der grausam langen IBAN-Nummern bei Kontoverbindungen ist man derzeitig total genervt. Aber wir werden uns auch hier alle willig anpassen. Manchmal können unvollständige Angaben gravierende Folgen haben. Wenn wir als Steuererklärung eine „Opera Aperta“ abliefern, werden unsere Einnahmen geschätzt oder, wenn wir vergessen etwas anzugeben, landen wir im Gefängnis.
Als Gegenmittel zu diesen disziplinierenden Sachzwängen darf ich Ihnen heute Abend den Erwerb eines Kunstwerkes aus der Werkstatt von Bernd Harms empfehlen.
Harms bietet eine Bildinformation die ausreichend ist, um eigene Assoziationen, eigene Geschichten anzuhängen. So mancher kann sich hier vielleicht noch daran erinnern, dass Rolls Royce noch bis in die 80er Jahre die Leistung seiner Motoren nicht in Pferdestärken oder Kilowatt angab, sondern in der Dokumentation schlicht schrieb :
„Der Motor hat eine in jeder Hinsicht ausreichende Leistung“.
Unkonkret zu bleiben, zeugt also auch immer von einer gewissen Noblesse. Die Werke von Bernd Harms beziehen ihre Motorleistung, sozusagen ihre Wallpower, eben gerade aus dieser Zurückhaltung. Sie sind dagegen aufgefordert, ihre Zurückhaltung aufzugeben und ihrem Kaufimpuls heute abend oder bei einem späteren Besuch der Kunstkantine freien Lauf zu lassen.
Nehmen Sie Ihren malerischen emotionalen Rolls Royce mit nach Hause und fahren sie ihn selbst, denn so wie Sie wird es kein anderer tun.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen einen vergnüglichen Abend.