Große Gemeinschaftsausstellung

Große Gemeinschaftsausstellung

Eröffnungsrede

Laudatio

GROßE GEMEINSCHAFTSAUSSTELLUNG

am 26.01.2023

 

Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste,

willkommen im

 

Bernsteinzimmer der HafenCity!

 

Mein Name ist Roloff, Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das Herzlichste begrüßen, zur sage und schreibe 80. Vernissage von Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013. Zu meiner Rechten, wie immer blond und charismatisch, meine Assistentin Betty. Schild und Schwert der guten Kunst, quasi der Kim Jong-Un der Kunstkantine.

Unsere heutige Ausstellung steht unter dem Motto

 

„Große Gemeinschaftsausstellung“.

 

Wie originell! Der Titel „Große Gemeinschaftsausstellung“ hat eine nordkoreanische Ausstrahlung. Anonym, aber wenigstens groß! Vor den Augen entsteht ein großes Forum, das von den Stühlen aufsteht und etwas schwer Definierbares beklatscht. Eine kollektive Leistung, wobei die Frage ist, worin diese besteht: In der Kunst oder im Klatschen?

 

Hier sehen wir das Publikum, wie es nicht die große, sondern die sehr große Gemeinschaftsausstellung beklatscht.

 

13 Künstler stellen wir heute aus, wie bekommt man da eine Laudatio hin?

 

Es gibt 2 Möglichkeiten: Entweder man geht auf keinen Künstler persönlich ein und spricht über das Weltentheater, die Unendlichkeit, die Kunst an und für sich und über den Kosmos als Inspirationsquelle.

 

Oder man geht, wie es hier immer üblich war, auf jeden Künstler und sein Werk ein. Ein großes Gemeinschaftsklatschen auf ein Kollektiv widerstrebt uns.

 

Wir sind eine individualistische Gesellschaft. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit steht sogar in unserer Verfassung, die Kunstfreiheit sowieso.

 

Sehen wir uns einmal dieses schöne Foto von Robbie Williams an:

 

Eine Ikone für diesen Abend! Männer mit Brusthaar sind sowieso wieder in. Meine Damen, kein Vogel baut sein Nest in einem kahlen Baum! Wenn Sie mal kraulen wollen, ich stehe zur Verfügung, meine Damen und Herren!

 

Die wichtigsten Aussagen im Kontext der Frage „Kollektivismus vs. Individualismus“ liefern aber Robbies Tätowierungen:

 

Oben auf seiner Brust heißt es: „Chacun a son gout“, zu Deutsch:

 

„Jeder nach seinem Geschmack; jeder, wie es ihm gefällt“.

 

So soll es sein! Und was steht da noch auf Robbies Bäuchlein?

 

„Jump on board, take a ride”.

 

Also meine Lieben, let´s take a ride, folgt mir auf der Reise durch diese Ausstellung!

 

Anna Molinaro alias „AnNusch“ hat das Werk „Who am I?“ eingeliefert.

 

Die Frage „Wer bin ich?“ ist vielleicht die wichtigste Frage, der wir uns im Leben stellen müssen. Von der linken Figur löst sich eine Maske ab. Die Figur ist offenbar dabei, sich dieser Frage „Wer bin ich?“ zu stellen. Kann man ja mal überlegen, wer man ist, wenn man seine Rollen als Hamburger, Vater, Rechtsanwalt, FDP-Wähler, Jeepfahrer, Laudator, Fleischesser und Kunstsammler abstreift.

 

Vorhin hatte ich schon angedeutet, dass der Kosmos Inspirationsgrundlage sein kann. Miklos Sabo hat das Werk „Cosmic Dawn“ mitgebracht.

 

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Das Bild taugt ebenfalls für einen Denkanstoß. Früher dachte man, im Universum würde neue Materie entstehen. Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Wir Alle bestehen also aus einer Kombination von Sternenstaub, der schon länger da war, als wir selbst. Machen wir das Beste draus!

 

Mit dem Kosmos geht es nachher noch weiter! Kommen wir jetzt zu einem Werk, dass unzweifelhaft ein Vorbild hat:

 

Mike Braun hat eine Heavy Metal-Version von Caspar David Friedrichs „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ geschaffen. Hier das Vorbild:

 

Kunsthistorisch eingeordnet war das Einblenden einer Ganzfigur in ein Landschaftsbild als Rückenporträt ein absolutes Novum und stand in der Kritik.

 

Dort hieß es aus berufenem Munde:

 

„Das Werk muss als künstlerisch misslungen angesehen werden. Die realistisch aufgefasste große Figur steht in merkwürdigem Missverständnis zur unermesslichen Natur. Durch die Überbetonung des Kontrastes von Hell und Dunkel, wirke sie deshalb deplatziert und etwas abgeschmackt“.

 

Finde ich doof!

 

Nicht umsonst wurde das Werk eines der bekanntesten Gemälde, die in der Hamburger Kunsthalle hängen. Die Figur steht in ihrer Konkretisierung in einem gewollten Kontrast zur schwurbeligen Natur. Die Natur ist der Figur Untertan. Sie wird von der Figur in ihrer Unordnung bewundert.

 

Außerdem erinnert mich Mikes Bild an das Cover meiner seinerzeit heißgeliebten Status Quo-Platte „Hello!“:

 

Der einsame Wanderer über dem Nebel wird kontrastiert von Kirsten Schleicherts Werk „Immer nur einen Herzschlag entfernt“:

 

 

Der Titel des Bildes ist offenbar nicht physisch, genauer gesagt, nicht aus der Sicht eines Kardiologen zu verstehen – Extrasystole lässt grüßen – sondern spielt auf die emotionale Ebene der beiden Figuren an. Michael und Elisabeth, seit 33 Jahren verheiratet, haben in einem Spiegel-Interview über das Geheimnis ihrer langdauernden Ehe Folgendes verraten:

 

„Es gibt drei wichtige Dinge zu beachten: Erstens viel Sex, besonders am Anfang. Zweitens: Kinder. Etwas Einzigartiges, das nur wir Beide teilen. Das ist harte Arbeit. Und es braucht drittens einen Sinn für Verantwortung und ein Sinn für Humor schadet auch nicht. Besonders, wenn es wirklich mal schrecklich wird.“

 

Ebenfalls ein sehr emotional betiteltes Werk ist „Der Weg ans Licht“ von Ewa Martens.

 

„Ans Licht“ ist immer positiv konnotiert. In die Dunkelheit oder gar in die Hölle will keiner.

 

Zu beachten ist auch, dass der Weg ans Licht geht und nicht ins Licht. Ins Licht ist eher mit Nahtoderfahrung konnotiert. Ein wunderbares abstraktes Werk, das durch den Titel eine positive Assoziation erhält.

 

Mit der Assemblage „Unvergessen“ spielt Marcel Rossol ganz aktuell auf den Ukrainekrieg an.

 

In einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates gleich zu Kriegsbeginn gab es folgendes Statement des ukrainischen UN-Botschafters an den russischen UN-Botschafter:

 

„Wir verurteilen die Aggression, die Sie gegen mein Volk verüben. Es gibt kein Fegefeuer für Kriegsverbrecher. Sie fahren direkt zur Hölle, Botschafter“.

 

Wie man sieht, geht es auf Sandalen abwärts für die Russen.

 

Der Titel „Unvergessen“ ist natürlich ein Appell gegen ein Gewöhnungsprozess, dem wir unterliegen könnten.

 

Ukrainekrieg und Klimaaktivisten – hören oder sehen wir da überhaupt noch hin? Oder sind für uns die Inflation und die deutsche Fußballnationalmannschaft die größeren Dramen?

 

Als Ironisierung der Aktionen der Aktivistengruppe „Die letzte Generation“ hat Ralf Schwinge das Werk „Als ich mich an meine Kunst klebte“ eingebracht.

 

Als Klebstoff wählt der Künstler ein Markenprodukt, nämlich UHU.

 

UHU wurde 1932 von einem Apotheker erfunden und ist seitdem eine Erfolgsgeschichte mit jährlich um die 143 Mio. Umsatz.

 

Der Künstler klebt sich auf einem 10-Mark-Schein und einem – so interpretiere ich das – Stück Kunst fest. Ein Ausdruck der Verbundenheit. Spielerisch angeordnet, Bullenauto, Verkehrspylonen und ein Pinsel. Rechts oben ein interessantes Detail, ich meine nicht die Blume. Was soll das Dreibein in der Ecke sein?

 

Ja, meine Damen und Herren, es ist wie immer:

 

“The job of the artist is to deepen the mystery”.

 

Der State of Play ist jetzt, dass wir 7 von 13 Künstlern besprochen haben. In dem sagenhaften Text „Niemals über Bilder reden“ aus Oktober 1999, in dem es um das Verhalten auf Vernissagen geht, heißt es zur Frage „Wann darf man gehen?“ wie folgt:

 

„Entweder noch vor der Laudatio oder

wenn nichts mehr zu trinken da ist. Auf keinen Fall zu spät“.

 

Meine Damen und Herren, die erste Chance haben Sie verpasst. Ich hoffe, Sie haben noch etwas im Glas und müssen nicht auf die Toilette.

 

In einem so prismatischen Oevre wie es diese Ausstellung zeigt, darf auch der Surrealismus nicht fehlen. Diesen Job hat David FOX Lehmann übernommen.

 

 

Künstler mögen es oft nicht, wenn sie mit anderen Künstlern verglichen werden. Hier wäre es auch zu offensichtlich, mit wem. Deswegen beschränke ich mich darauf zu sagen, dass das Gemälde einfach bombig gemalt ist. Allein der grüne Gehirnwurm in der Figur links und die vielen Ideen machen das Werk begehrenswert.

 

Außerdem esse ich jeden Morgen ein Spiegelei!

 

Weiteres interessantes Detail ist das etwas ältere Ehepaar, das von einem Traktorstrahl ins Ufo gezogen wird. Offenbar sind das Michael und Elisabeth, die wir eben schon zitiert haben und die vom Ufo-Kapitän Vogon zum Thema „Gute Ehe“ einer Vernehmung unterzogen werden.

 

Danach geht es dann für das Ufo zurück in den Kosmos. Hier bildnerisch dargestellt durch Berna Mor:

 

So Betty, als Schild und Schwert der guten Kunst: Welcher Malstil, welche Kunstrichtung?

 

(Antwort Betty:) Amerikanischer abstrakter Expressionismus, das sieht man doch auf den ersten Blick!

 

(Ich sage:) Ich darf ja keine Maler vergleichen, vergleiche du!

 

(Antwort Betty:) Also, mir fällt da „Rock Bottom“ (1960-1961) von Joan Mitchell ein!

 

 

(Ich sage:) Ja! Treffer!

 

„Rock Bottom“ ist praktisch die inverse Darstellung des Werks „Cosmos“ von  Berna Mor. Auch hier finden wir die typischen Techniken

 

Dripping und Staining,

 

wie sie für die 2. Generation des amerikanischen Expressionismus bezeichnend sind.

 

Berna, bist du im Saal?

 

Bis zum 27.02. diesen Jahres gibt es eine Retrospektive über Joan Mitchell in der Fondation Louis Vuitton in Paris. Da solltest du mal hingehen! Das teuerste Werk von Joan Mitchell wurde für 16,6 Mio. Dollar verkauft. Wie heißt es bei Warren Buffet – wette nie gegen Amerika!

 

Im Übrigen heißt die Ausstellung „Mitchell Monet“. Bei ihren Frankreich-Aufenthalten wohnte Mitchell auch im Gartenhaus von Monet. Monet ist ja bekannt für seine floralen Darstellungen. Florale Darstellungen haben wir hier auch im Programm:

 

 

Hier das Werk „Aiyana“ von Leilani Euphrosyne aka Beate Böer. „Aiyana“ bedeutet „ewige Blüte“. Die Künstlerin bezeichnet ihre Bilder als „Kraftbilder für die Seele“. In die Farbe wird Aura Soma Equilibrium eingemischt, ein Körperöl zur Erzeugung von positiven Wirkrichtungen, beispielsweise werden in einer Sorte Liebe und Leidenschaft aktiviert sowie der uneingeschränkte Enthusiasmus für das Leben. Wer will das nicht, meine Damen und Herren?

 

There is no road to happiness

because happiness is the road.

Der Weg ist das Ziel.

Alte buddhistische Weisheit!

 

 

So, meine Damen und Herren, wir wollen jetzt mal zur Abwechslung den Typ der Flachware wechseln, von Gemälden zur Fotokunst.  Kay Tamm hat hier das Werk „She´s magic“ eingeliefert.

 

 

In der linken Hand die Glaskugel, aus der wir uns Alle gern die Zukunft voraussagen lassen. Die Dame als Halbfigur und mit einem Boudoir-Blick. Alle Männer im Saal, unterstellt, Sie haben einen Kaufimpuls, dann darf der Satz

 

„Da muss ich erstmal meine Frau fragen“

 

nicht in ihrer Gedankenwelt vorkommen. Es gibt nun mal Werke, die eignen sich am Besten fürs Herrenzimmer. An die Damen im Saal: Richten Sie ihm ein Herrenzimmer ein, dann wissen sie, wo er meistens zu finden ist.

 

An die Herren im Saal: Richten Sie ihr ein Damenzimmer ein! An die Wand gehört dann ein Werk wie dieses:

 

 

 

von Eliska Eremias aka Elisae. Es hat keinen Titel und wird in bester Tradition des abstrakten Expressionismus, siehe Jackson Pollock, nur mit einer Nummer versehen als Nr. 305. Wie viele Künstler aus dieser Ausstellung ist Elisae auch in Nissis Art Gallery vertreten. Das ist der Onlineshop von Nissis Kunstkantine. Dort erklärt Elisae den fehlenden Titel wie folgt:

 

„Meinen Bildern gebe ich keinen Namen, weil jeder einzelner bei dessen Betrachtung eigene Emotionen und Bedeutung entwickelt, sie anders sehen kann und darf als ich“.

 

Der Klassiker, meine Damen und Herren: Das offene Kunstwerk, wir erinnern uns. Ich wusste gleich, dass dieses Bild von einer Frau stammt. Diesem Werk fehlt jede verquälte Düsternheit, die den Herren der Bildschöpfung oft anhaftet. Männer malen nicht in Orange und Pink und mit lässigem Schwung.

 

Eine Ausnahme bildet das Werk „Symphonie im Ereignishorizont“ von Mario Thronicke.

 

Wenn Sie schon mal in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wurden, erinnern Sie die Gemälde von Mario ggf. an den Rohrschachtest. Je nachdem, wie ihre Antworten ausfielen, konnten sie wieder gehen oder mussten drinbleiben.

 

Auf den ersten Blick ist das Objekt achsensymmetrisch, und zwar gespiegelt über die Vertikalachse und die Horizontalachse. Dann stellt man fest, dass sowohl in der Farbigkeit, als auch in der Struktur Abweichungen festzustellen sind. Man vergleicht die Abschnitte links und rechts und oben und unten, dadurch zieht das Werk den Betrachter in den Bann. Die durchschnittliche Wahrnehmungszeit von Gemälden in Museen ist 11 Sekunden. Damit kommt man hier nicht aus. Danach kommt dann die Phase Seherlebnis im Ganzen, als optische Symphonie, von der man gefesselt wird.

 

Ja, meine Damen und Herren, das war es jetzt mit meinem fesselnden Vortrag! Der Gruß an die Künstler: Weiter so,

 

the world is yours!

 

Und jetzt an die Gäste: Vielen Dank fürs zuhören, bis bald in diesem Theater!

 

 

Bernd Roloff

 

Aus Datenschutzgründen sind einige Fotos nicht gezeigt. Die Setzerin