Nature in Diversity

Eröffnungsrede

Laudatio

NATURE IN DIVERSITY am 24.11.2022

Claudia Egge und Robin Cruise

 

Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste,

erneut willkommen im

 

Bernsteinzimmer der HafenCity!

 

Mein Name ist Roloff, Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das Herzlichste begrüßen, zur 79. Vernissage von Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013. Zu meiner Rechten, wie immer blond und charismatisch, meine Assistentin Betty. Schild und Schwert der guten Kunst.

Die heutige Vernissage gilt den Werken von

Claudia Egge und Robin Cruise

Die Ausstellung hat den Titel

 

NATURE IN DIVERSITY

 

Ich darf zunächst klarstellen, dass der Begriff „Diversity“ jedenfalls von mir im Kontext dieser Ausstellung nichts mit der anödenden Diskussion über Antidiskriminierung zu tun hat, sondern mit den vielfältigen Ausprägungen der Natur, die die Motive der Ausstellung sind.

 

Deswegen der Slogan „Nature in Diversity“. Sonst würden wir ja hier die Regenbogenfahne schwenken. Wäre ja auch schön, nur nicht in Katar bei der Fußball-WM. Da kommt man in den Kerker dafür. Oder man bekommt eine gelbe Karte vom Scheich. Großartig, dass wir dieses Thema auslassen können.

 

Als seine Mission und Antriebskraft nennt Robin Cruise ausdrücklich, ein Bewusstsein für die Schönheit der Natur zu erschaffen. Beide Künstler sind leidenschaftlich bei der Sache. Robin spricht von einer Besessenheit ab 6:00 Uhr morgens. Claudia Egge spricht von sich selbst als eine Triebtäterin auf Papier und Leinwand. Bei aller Besessenheit arbeitet Robin immer nur an einem Bild. Claudia arbeitet manchmal an mehreren Werken zugleich. Triebtäterin eben.

 

Robin hat vergessen, was sein erstes Werk war. Claudias erstes Werk war eine Interpretation des Gemäldes von Rousseau mit dem Titel „Ein Karnevalsabend“:

 

Hier Original zeigen!

 

Apropos Karneval: Ich hatte in meinem Leben wenig Karnevalsabende, aber die Folklore fand bei mir viele Male am Morgen vor Gericht statt.

Ich bin nun 29 Jahre als Rechtsanwalt zugelassen. Dies bedeutet, dass ich mich bei „Wetten, dass …?“ anmelden kann mit der Wette, dass ich alle Amtsgerichte Deutschlands an dem dort verlegten Linoleumfußboden erkennen kann. Eine Ausnahme bildet übrigens das Amtsgericht Norderstedt. Dort ist der Fußboden mit gesmoktem Klinker ausgelegt. Ein Erlebnis sind immer wieder die Wartebänke aus Olivenholz, da kann man die Wartezeiten mit dem Zählen von Astlöchern verbringen. Bei dieser berufsbedingten Prägung fällt mir natürlich als erstes ein Werk von Claudia mit dem Titel „Justitias Bruder“ auf.

 

Justitia kennen wir. Betty, halt mal Justitia hoch!

 

Hier sehen wir sie, die Göttin der Gerechtigkeit mit ihren typischen Accessoires:

 

Waage, Schwert und Augenbinde.

 

Vielleicht auch eine Anregung für die Boutique Bizarre auf der Reeperbahn 35.

 

Übrigens ist Justitia das Geschenk eines Mandanten. Sehr fantasievoll. Ein weiteres Geschenk eines Mandanten präsentiert euch Betty jetzt auch noch:

 

Ich weiß nicht, wo man sowas findet …

 

Die Figur imponiert von oben nach unten durch einen Strabismus, d.h. Schielen, Adipositas und einen schlechten Schnitt der Hosenbeine. Offenbar die Figur eines Rechtsanwalts mit dem Gesetzbuch in der Hand. Der Kollege findet sich in der Pose des Nachdenkens wieder, in dem er sich mit dem Zeigefinger ans Jochbein tippt.

 

„Gleich kommt der geniale Einfall!“

 

Ein einmaliges Werk, seiner Zeit voraus.

 

Viel lieber hätte ich das Werk „Justitias Bruder“ von Claudia geschenkt bekommen.

 

Justitias Bruder also. Wir erinnern uns an die Gewaltenteilung: Judikative, Exekutive und Legislative. Judikative meint die Rechtsprechung: Das ist also Justitia. Die Exekutive meint die Verwaltung und die Ordnungsbehörden. Die Legislative ist die Gesetzgebung. Wofür steht nun Justitias Bruder?

 

Verwaltung oder Legislative sind als Alternativen übrig.

 

Aus ornithologischer Sicht stellt sich die Frage, ist es ein Geierkopf oder ein Adlerkopf? Der Geierkopf steht eher für die Verwaltung, insbesondere die Steuerverwaltung. Keine Feier ohne Geier! Der Adlerkopf würde eher für die Legislative, also die Gesetzgebung stehen. Mit dieser Interpretation als Bundesadlerkopf gibt es ein Problem. Wie sieht ein Bundesadler aus?

 

Ein Bundesadler blickt immer nach rechts, aus seiner Sicht. Claudias Adler blickt nach links aus seiner Sicht. Vorsicht, dünnes Eis!

 

Wer den Bundesadler verunglimpft, macht sich strafbar nach der Dunkelnorm des § 90 a Abs. 1 Ziff. 2 des Strafgesetzbuches. Beispielfall:

 

Die Bundesflagge wird provokativ in einem Misthaufen aufgestellt.

 

Erlaubt ist hingegen die sogenannte Bananenflagge:

 

 

Zurück zum Thema:

 

Bei der Frage Geier oder Adler gab es bei Betty und mir ein Patt. In unserem Büro entstand das heikle Problem, soll man nun die Künstlerin anrufen oder nicht?

 

Von Erklärungsanrufen bei Künstlern ist in der Regel abzusehen. Ich erinnere mich an einen unangenehmen Anruf bei einem Hamburger Künstler, der nur knurrte und den Hörer auflegte. Ein Star des amerikanischen abstrakten Expressionismus, Clyfford Still, wurde sogar handgreiflich und schmiss einen Sammler aus seinem Atelier, als dieser dumme Fragen stellte.

 

Der Anruf bei Claudia erwies sich als entspannt. Bildvorlage war eine Figur an der Fassade einer französischen Kathedrale. Ich vergaß nachzufragen, wieso der Titel dann auf „Justitias Bruder“ lautet, leben wir doch in einem säkularen Staat.

 

Das Rennen „Geier oder Adler“ bleibt also offen. Wer harmoniebedürftig ist, spricht bei dem Bildmotiv einfach von einem Greifvogel. Das Gegenteil von Harmonie ist die Konfrontation, die Robin in dem gleichnamigen Gemälde umgesetzt hat:

 

 

Meine Damen und Herren, hier trifft der Fleischfresser Löwe auf den Veganer, das Nashorn. Es ist damit klar, welches Tier im Trend liegt. Der Trend geht also zum Nashorn als Sympathieträger, zumal es sich rarmacht.

 

Willst du was gelten, mach dich selten.

 

Robins Malstil ist naturalistisch, bzw. realistisch. Das Nashorn betritt die europäische Kunstszene naturalistisch mit einem Holzschnitt Albrecht Dürers von 1515.

 

Dürer selbst hat ein Nashorn nie gesehen. Er hat den Holzschnitt nach Angaben Dritter gefertigt, die das Motiv gesehen haben. Das Modell selbst, nennen wir es Bruno, ertrank in einem Sturm beim Transport.

 

Ein Vorteil von Nashörnern ist, dass man an ihnen erklären kann, was Naturalismus und Expressionismus ist. Robin liefert Naturalismus als Flachware. Wir sehen in der Ausstellung 3 naturalistische bzw. realistische Nashörner.

 

Den Naturalismus zeichnet die sogenannte Abbildhaftigkeit aus. Wenn möglich bekommt man noch die innere Wahrheit dargestellt. Für mich ist die innere Wahrheit eines Nashorns Melancholie und Wehrhaftigkeit. Ich muss gestehen, ich mag Nashörner. Man will als Nashorn in Ruhe gelassen werden und gelassen Gräser, Blätter, Äste, Zweige, Knospen und Früchte schnabulieren, im Fluss baden, sich sonnen und dösen. Diese Lebensweise erweist sich als erfolgreich. Während das Nashorn zum Best Ager mit 50 heranreift, sterben Löwen spätestens mit 15 Jahren.

 

Jeden Morgen wachen in Afrika Antilopen und Löwen auf. Die Löwen laufen den Antilopen hinterher und die Antilopen laufen vor den Löwen weg, weil sie nicht gefressen werden wollen. Egal, ob man Antilope oder Löwe ist, das Leben hört sich anstrengend an.

 

Da ist man doch lieber Nashorn. Im Expressionismus würde man die innere Wahrheit nach außen tragen. Der Expressionist durchfühlt das Motiv und betont das Innere, hier durch Überformung des Äußeren.

 

Betty, halte das expressionistische Nashorn hoch:

 

Die Wehrhaftigkeit ist hier betont durch das spitze Horn und die Panzerplatten. Der wohlig feine Genuss veganer Kost hat zu gemütlich adipöser, leicht klotzig wirkender Figur geführt. Die aufgerichteten Ohren detektieren mögliche Feinde in der Umgebung. Der goldige Teint wurde durch Sonnenbaden auf begrünten Lichtungen im Morgentau erworben.

 

In dieser Ausstellung schafft es Claudia, die Natur in absolut polarisierender Weise zu kontrastieren.

 

Fühlten wir uns eben noch als romantisiertes Nashorn, erinnert uns das Gemälde „Angedoggt“ an äh … was eigentlich? Es ist ja ein abstraktes Gemälde. Betty meint, es geht hier um eine Lavalampe.

 

Der Titel spricht eindeutig dagegen. Auf die Frage, wie denn unsere Künstler ihre Titel finden, meint Robin: „Die Titel denke ich mir einfach aus.“ Claudia sagt: „Meine Titel sind die intellektuelle Erweiterung des Dargestellten.“

 

Ja, meine Damen und Herren, was doggt da an? Also, für mich sind das Viren, die andocken.

 

Heute, während der Fußball-WM, sind wir 80 Millionen Bundestrainer, die über die Spielweise unserer Nationalmannschaft diskutieren. Noch vor Kurzem waren wir 80 Millionen Virologen, die über Masken, Impfungen und Virusvarianten diskutierten. Heute sind wir abends zu Hause, um Länderspiele zu sehen, noch vor Kurzem war Hamburg abends zu Hause, weil Ausgangssperre herrschte.

 

So hat die Vorgeschichte meine Wahrnehmung beeinflusst. Das Werk ist aber 2017 entstanden, wo noch Niemand an Corona gedacht hat. Abstrakte Werke sind doch wunderbar. Jeder kann darin sehen, was er will, z.B. auch die Ankunft der Außerirdischen. Hier ein Bild aus den SciFi-Drama „Oblivion“:

 

Zur Erklärung: Rechts sitzt Tom Cruise, nicht verwandt mit Robin Cruise, das ist nicht der Außerirdische, soweit wir wissen, sondern das sind die Dinger links daneben, die was absaugen.

 

Meine Damen und Herren, in exakt einem Monat ist Heilig Abend. Sie wissen, worauf ich hinaus will. Kaufen Sie hier Kunst, dann gelten Sie als Mensch von Geist und Lebensart, wenn Sie Kunst verschenken. Man wird es Ihnen danken!

 

Letztes Jahr haben Sie das Armband von Cartier für 267.000,00 EUR brutto verschenkt. Dieses Jahr könnten Sie das dazu passende Gemälde von Robin Cruise verschenken:

 

 

Es ist mit 590,00 EUR etwas günstiger als das Armband und dafür sogar noch ein Unikat. Es hat den Titel „Festung“, sicherlich ist damit die unauflösliche Verbindung zwischen Mutter und Kind gemeint.

 

Meine Damen und Herren, in den letzten 15 Minuten gab es für Sie  einen Streifzug vom Bundesadler über das Linoleum der Amtsgerichte und expressionistische Nashörner bis zur Ankunft der Außerirdischen. Wir nähern uns dem Datum, an dem die Ankunft des Heilands gefeiert wird. Um es mit Shakespeare zu sagen:

 

Achtung, Hamlet I:

 

„Sie sagen,

immer wenn die Jahreszeit naht,

wo man des Heilands Ankunft feiert,

singe die ganze Nacht durch“

 

 

Also, meine Lieben, bleibt gut bei Stimme, das wars jetzt. Vielen Dank fürs zuhören und bis bald in diesem Theater!

 

Bernd Roloff

 

Aus Datenschutzgründen sind mehrere Fotos nicht abgebildet. Die Setzerin