Nissis 10 jähriges Jubiläum mit Kunstausstellung von Larissa Kerner

Eröffnungsrede

Laudatio

10 Jahre Kunstkantine

am 01.03.2023

 

Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste,

willkommen im

 

Bernsteinzimmer der HafenCity!

 

Mein Name ist Roloff, Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das Herzlichste begrüßen zu 2 Anlässen!

  1. Zur Ausstellungseröffnung der Werke von Larissa Kerner unter dem Motto „Weit Sicht“

und

  1. zum 10-jährigen Jubiläum von Nissis Kunstkantine, seit ihrer Gründung im März 2013.

Zu meiner Rechten, wie immer blond und charismatisch, meine Assistentin Betty, das Gridgirl der guten Kunst und Botschafterin der fröhlichen Geselligkeit.

 

Heute vor 10 Jahren war die erste Ausstellung gehängt. Thema Konstruktivismus, Künstler Michael Mattern. Getränke und Snacks waren eingekauft, Personal eingestellt und alles war ready to go für die erste Vernissage.

 

Ich sagte dann zu Nissi: „Jetzt brauchen wir nur noch einen Redner für die Laudatio!“ Und Nissi sagte zu mir:

 

„Ach, ich dachte, das machst du!“

 

Ja, meine Damen und Herren, und irgendwie blieb es dann bei den nächsten 79 Ausstellungen dabei!

 

So wird man Laudator. Ein seltsames Berufsbild! Um Laudationen vorzubereiten, versenden Betty und ich seit einigen Jahren den sogenannten Künstlerfragebogen. Anlass war, dass ein Künstler auf von uns telefonisch gestellte Fragen einfach nur knurrte und den Hörer auflegte. In der betreffenden Laudatio sprachen wir dann davon, dass das ja die Deutungshoheit des Rezipienten für die Werke noch erhöhen würde. Der Kosmos, das Weltall, unendliche Weiten.

 

Frage 2 auf unseren Fragebogen lautet wie folgt:

„Hat dein Werk eine Mission (z.B. Weltverbesserung, politische oder philosophische Aussagen)? Oder dienen sie dem Entertainment?“

 

Larissas Auffassung zu diesem Thema wurde uns wie folgt mitgeteilt:

„In einer Zeit, in der es wichtiger denn je ist, für sich selbst einzustehen, entstanden neue Werke. Die Inspirationen starker Frauen, die starke Männer lieben, … (die) vor allem aber ihre eigene neue Standhaftigkeit zum Ausdruck bringen“.

 

Der Satz von Larissa geht also eher in Richtung Mission.

 

Die coolste Antwort in 10 Jahren auf die Frage „Mission oder Entertainment“ hat mir Lennart Grau in einem Artist Talk vor einigen Jahren gegeben. Die Antwort lautete:

 

„In erster Linie entertaine ich mich selber!“

 

Wer von seiner Arbeit als Selbstentertainment sprechen kann, hat es geschafft.

 

Ich glaube, der Satz

 

„There is no road to happiness, because happiness is the road!”

 

war einer der häufigsten Sätze in den vergangenen Laudationen. Es ist eine alte buddhistische Weisheit. Wem das zu schwurbelig rüberkommt, braucht es handfester.

 

Wir zitieren hier den großen Philosophen Tony Montana, alias Al Pacino, aus dem legendären Gangsterfilm „Scarface“:

 

„Jeder Tag auf der Erde ist besser als unter der Erde.“

 

Ganz überwiegend lieben Künstler bei der Werkschaffung den Flow mehr als das fertige Ergebnis. Wenn das Werk dann verkauft wird, fühlen sie sich wertgeschätzt.

 

Andererseits fällt es manchen Künstlern oft schwer, sich von den Werken zu trennen. Manchmal scheint die Welt nicht mehr in Ordnung zu sein, wenn das Werk das Atelier verlässt. Erst der Trennungsschmerz, dann aber wieder der erhabene Moment, wenn man das Werk in den Räumen des Käufers wiedersieht.

 

Larissas Meinung zu diesem Thema lautet wie folgt:

 

„Meine Werke lasse ich gerne los und freue mich darüber, dass ich etwas erschaffen habe, was in die Welt geht. Es steckt Mut darin und Freiheit und Liebe und Zuneigung und Vieles mehr.“

 

Wie viele Dinge im Leben war es eine Anhäufung von Zufällen, dass wir heute hier stehen. Nissi habe ich auf einem Gerichtsflur aufgerissen mit dem coolen Anmachspruch:

 

„Wollen wir was frühstücken gehen?“

 

Sie sagte nein und kuckte vergrätzt.

 

Die Fläche der Kunstkantine wurde in irgendeiner Zeitung angeboten. Ich dachte mir, HafenCity ist jetzt in. Das kaufen wir jetzt mal. Und nun sind wir Alle heute hier! Was für Zufälle, rückblickend betrachtet.

 

And we are here to stay,

 

meine Damen und Herren. Sie werden uns nicht los, die Fläche ist gekauft und bezahlt. Außerdem wollen wir auch in Zukunft die Anekdoten erleben, die in dieser langen Story immer wieder humorig aufblitzten.

 

Betty und ich haben ausgerechnet, dass insgesamt ca. 1.600 Werke unserer Künstler in 10 Jahren ausgestellt wurden. Konstruktivismus, Assemblagen, Realismus, Expressionismus, Abstraktion, abstrakter Expressionismus, Outsiderkunst, Fotokunst, Ready-mades, Monotypien, Skulpturen, Videokunst, Cartoons, Kunst auf Rädern, Street Art, die Sujets unserer Künstler waren prismatisch, die Ausstellungen waren immer gut besucht. Außerdem haben Betty und ich rausgesucht, welches die 3 Werktitel waren, die die Meiste Poesie aufwiesen.

 

Zum Einen: „Der Gesang des Diestelfinks“ von Bernd Harms:

 

Selbstverständlich trug ich in der Laudatio auf das Werk von Bernd Harms Fachkenntnisse aus der Ornithologie und der Vogelstimmenimitation vor:

 

„Bei Erregung, also z.B. wen eine Diestelfinkdame vorbeifliegt, gibt der Diestelfink ein scharfes „zidi“ von sich. Wird er aggressiv, z.B. weil er mit seinem Nestbau nicht zurechtkommt, knallt er ein hartes schnarrendes „tschirr“ hinterher. In der Kombination also „ziditschirr“. Wenn der Diestelfink nur vor sich hinchillt, trägt er zu pendelnden Bewegungen Laute wie „dudidelet“, bzw. „didudit“ vor. Dies machen insbesondere die Männchen, wenn sie mit ihren Kumpels in der Gruppe sind.“

 

Auch unter den most poetic Titeln:

 

„Lügen, zu denen sich tanzen lässt“ von Lars Möller:

 

Das Tanzen von Texten wird gern mit der Waldorfschule in Verbindung gebracht. Bekannt ist, dass mit der dort gelehrten anthroposophischen Bewegungskunst auch der eigene Name getanzt werden kann. Aber wie tanzt man eine Lüge?

 

Der Berufsverband Eurythmie wurde angefragt, gab aber bis zum Redaktionsschluss dieser Keynote keine Stellungnahme ab.

 

Ebenfalls im Trio der Bildtitel mit gesteigerter Poesie ein Werk von Larissa Kerner: „I am begging for your kisses“. Zu Deutsch: „Ich bettele um deine Küsse“.

 

Ein sehr großformatiges Werk. Es war zunächst aus der Galerie an irgendwelche Millionäre verkauft worden, die in der Sierichstraße domizilierten. Bei Einsetzen der Corona-Panik wollten die es dann nicht mehr haben. Küsse sind ja infektiös, das wurde bezüglich Corona wissenschaftlich festgestellt. Anders beim Zika-Virus, Dengue-Virus und West-Nil-Virus. Da enthält der Speichel einen Abwehrstoff. Knutschen erlaubt!

 

Wir haben das Gemälde dann unerschrocken für die Sammlung der Kunstkantine gekauft.

 

Tatsächlich imponiert das Gemälde mit einem interessanten Effekt: Aus der Nähe betrachtet wirkt das Gemälde eher abstrakt. Ein Kosmos von Farben und Fantasieelementen. Aus einigen Metern Entfernung konkretisiert sich dann das Porträt, das mit Klebeband konturiert ist. Es ist wie fast immer bei Larissa ein Selbstporträt und Larissa liebt Klebeband, das sogenannte Gaffer-Tape.

 

Japaner, meine Damen und Herren, halten die Instant-Nudel für die wichtigste Erfindung ihres Landes.

 

Amerikaner sollten das Gaffer-Tape in die engere Auswahl ziehen. Wie heißt es so schön in einer Ode an das Gaffer-Tape der Baumarktkette Hornbach:

 

Du flickst Löcher und verbindest Dinge,

die nie füreinander bestimmt waren.

 

Ohne Gaffer-Tape wären die Astronauten von Apollo 13 nie zur Erde zurückgekehrt. Die bauten nämlich mit Gaffer-Tape eine provisorische Sauerstoffreinigungsanlage:

 

 

Larissa baute mit dem Gaffer-Tape ein Gemälde, das sowohl abstrakt als auch figurativ wahrgenommen werden kann. Ein großer Wurf, durchaus.

 

Es hat seinen Platz in einem unserer Gästezimmer gefunden. Man kommt an ihm also nicht jeden Tag vorbei, sondern anlassbezogen, wenn Besuch kommt und dann kann man immer das Besondere von Nah- und Fernwirkung demonstrieren und über das Gaffer-Tape schwadronieren.

 

 

Es geht dann weiter mit Tom Hanks in Apollo 13, „Houston, wir haben ein Problem!“, Elon Musk hat die billigeren Raketen und so weiter. So entwickelt sich dann ein lockeres Gespräch mit dem Gast, der über Nacht bleibt oder der nach der strapaziösen Anreise ein Powernäpchen machen möchte.

 

Mit dem Küssebetteln hat das dann wenig zu tun, aber das ist nun mal so. Wir erinnern uns, jedes Kunstwerk ist offen. Es kommt nicht darauf an, was der Künstler ausdrücken wollte. Sondern darauf, was der Rezipient darin sieht.

 

Kein Künstler kann verbindlich vordefinieren, wie der Rezipient ein Werk wahrnimmt, interpretiert und was er damit assoziiert.

 

So, meine Damen und Herren, was passiert denn auf diesem Gemälde? Wollen wir doch mal sehen, wer zum christlichen Abendland gehört! Hier ein kleiner Tipp von Radio Horeb, dem katholischen Sender, den ich so gern höre. Der Tipp lautet:

 

Das Wort ward Fleisch.

 

So bitte: Vorschläge! Da geht es nicht um eine Bestellung im Steakhouse. Richtig! Das Bild zeigt die Verkündigung. Der Engel links verkündet Maria rechts, dass sie mit Jesus schwanger ist. Das Motiv selbst ist in den vergangenen Jahrhunderten tausendfach gemalt worden.

 

Aber wie würden nichtchristliche Rezipienten es interpretieren? Und wie sieht es 100 Jahre später bei uns aus? Das Gemälde stammt von Leonardo da Vinci und hängt in den Uffizien. Wahrscheinlich muss eine Erklärungstafel montiert werden, um den Hintergrund des Motivs zu erläutern. Außerdem fliegt raus, wer Witze darüber macht, dass Maria untenrum so aussieht, als hätte sie drei Knie, bzw. drei Beine.

 

Meine Damen und Herren, einen Steinwurf von der Kunstkantine entfernt wird ein ambitioniertes Immobilienprojekt realisiert. Dort entstehen rund 580 Wohnungen, Büros mit ca. 4.200 Arbeitsplätzen, drei Hotels, Einkaufs-, Gastronomie-, Kultur- und Entertainmentangebote mit Flagship-Kino sowie ein Kreuzfahrtterminal mit einem unterirdischen Busbahnhof. Bei Fertigstellung dieses Projektes, das sich „Westfield“ nennt, liegen wir dann vom „Westfield“ aus gesehen auf halbem Weg zur Elbphilharmonie. Mittendrin statt nur dabei! So wollen wir es haben. Belebt wie die Uffizien.

 

Anders war es in der Corona-Zeit während des Lockdowns. Nissi rief mich aus der Galerie an und sagte:

 

„Hier ist so wenig los, dass sich die Häschen auf der Straße treffen!“

 

Ich rief mir aus der Erinnerung Albrecht Dürers Hasen herbei

 

und sagte souverän:

 

„Nissi, das sind keine Hasen, sondern Kaninchen!“

 

In unseren Laudatien, liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, haben wir auch immer allgemein interessierende Themen adressiert. Heute wollen wir uns also auch mit dem Unterschied zwischen Hase und Kaninchen beschäftigen.

 

Beide gehören zur Gattung der Hasenartigen, aber der Hase erscheint von vornherein als das edlere Tier. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Hase als Kosename sehr beliebt ist. Niemand sagt zu seinem Partner Kaninchen oder Mümmelmann. Nach einer Umfrage der Wirtschaftswoche liegt Hase oder Hasi auf Platz 5 der beliebtesten Kosenamen.

 

Andererseits schaffte es das Kaninchen immerhin auf ein Gemälde von Tizian, Blidtitel „Madonna mit dem Kaninchen“:

 

Dürers Hase hängt in der Albertina in Wien. Die „Madonna mit dem Kaninchen“ in der sogenannten „Grand Galerie“ im Louvre-Museum in Paris. Soviel erstmal zur Bedeutung der Hasenartigen in der Kunst.

 

Meine Fresse, was war ich wieder ausschweifend. Von den Gesängen des Diestelfinks über das Gaffer-Tape zu den Hasenartigen. Auch Infektionskrankheiten kamen nicht zu kurz. Eine erratische Reise, die immer so weitergehen könnte, und sie wird weitergehen. Aber nicht heute.

 

Heute hat der Zug eine Bremse, die Mitreisenden werden gebeten, sich der Ausstellung zu widmen und jetzt wird gefeiert!

 

Bis bald in diesem Theater!

 

Bernd Roloff

 

Aus Datenschutzgründen werden mehrere erwähnte und gezeigte Bilder während der Laudatio hier nicht veröffentlicht. Die Setzerin