„Was das Auge in der Welt sieht!“
Pressemitteilung
„Kunstwerke verlangen vom Betrachter eine Deutung. Das Kunstwerk ist nicht für sich allein da. Es braucht den Menschen, der es anschaut. Erst in der Betrachtung, im Gespräch mit dem Sichtbaren, verrät das Kunstwerk seinen Sinn.
Erst dann e r h ä l t es auch seinen Sinn…“
(Arnold Bode, Begründer der documenta)
Bernd Harms. Maler.
Wer ist Bernd Harms? Was malt er?
Versuch einer Annäherung.
Das Abenteuer Kunst
„Das Werk muss sprechen, der Künstler bleibt dahinter“
sagt Bernd Harms.
Welche Sprache spricht es denn? Was hört, resp. sieht der Betrachter?
Die Bilderwelt von Harms steckt voller Geheimnisse und Gegensätzlichkeiten;
ihre Ansichten erscheinen gleichzeitig märchenhaft u n d realistisch, konkret
u n d abstrakt, poetisch u n d prosaisch.
Wirklichkeit gewordene Träume? Geträumte Wirklichkeiten?
So unterschiedlich die Themen, Motive, Techniken und Formate – jedes einzelne Bild erzählt dem aufmerksam Schauenden eine Geschichte.
„Das kann für jeden Betrachter eine andere Geschichte sein. . . Es geht mir nicht um Deutung oder Verstehen meiner Bilder. Was ich mir wünsche, ist: Anschauen, Hineingehen, sich-Einlassen. Dabei mischen sich dann Fragmente realer Wahrnehmungen und Abbilder mit Traumbildern und Lebenserinnerungen.
Das Ergebnis ist letztlich das, was Kunst ausmacht“. Sagt Künstler Harms.
Bernd Harms (ent-)führt den Betrachter in (s)einen ureigenen Kosmos:
Dort begegnet man Menschen (mit und ohne Namen), Tieren, Pflanzen und Alltagsgegenständen, Landschaften, Bauwerken, Maschinen (und Maschinenteilen); losgelöst vom ursprünglichen Kontext und hineingestellt in eine fremde Realität werden den Bildelementen veränderte Aussagen zugewiesen.
Mitten in die Ordnung einer klar gegliederten Fassade bricht plötzlich das Rätselhafte, Vertrackte, Hintergründige ein; die vertraute Welt wird verzeichnet, verzerrt, verwandelt. Sie wird doppeldeutig, unwirklich, poetisch.
Wenn sich die Fantasie – nach anfänglicher Unentschiedenheit – schließlich auf zunächst noch schmalen, schwankenden Brücken zu gehen getraut, wenn der Betrachter etwas hinzutut, wird plötzlich etwas für das innere Auge lesbar.
„Der Künstler darf nehmen, von wo er will…“, schreibt Albert Schulze-Vellinghausen in einer Abhandlung über die Gesetzmäßigkeiten der Neuen Kunst „ …sei es von den Primitiven, sei es von raffinierten Manierismen, sei es aus dem Müll der technischen Welt oder aus dem Saal eines Museums. Jede Anknüpfung ist erlaubt. Entscheidend ist die Prägung, die Gespanntheit, die Physiognomie des Ergebnisses… Das Werk muss allein durch die Kraft seiner freien Gesetzlichkeit überzeugen können.“
Als Schulze-Vellinghausen (in den 50er,60er Jahren d i e Autorität in Sachen GegenwartsKunst) dieses Statement publizierte, ziemlich genau zu der Zeit, begann für den jungen Schüler Bernd Harms das Abenteuer Kunst:
„ Eine Kunsterzieherin machte mit uns – für damalige Verhältnisse ungewöhnlich coole – wie wir es heute nennen würden – Experimente. Etwa: farbige Bilder zu schaffen, ohne Farbe – nur mittels Grautönen, oder: Tropfen im Strohhalm übers Papier zu jagen und so abstraktes Arbeiten anzuregen: oder sie ließ Farben mischen, und zwar auf dem Papier, nicht auf der Palette.“
Stark beeindruckt hat den damals Zwölfjährigen auch ein sogenanntes Projekt Atlantis : „beliebige grafische Darstellungen wurden nebeneinander angeordnet, die somit ungeplant entstehenden Flächen dann mit Farbe ausgefüllt, ohne sich zu überschneiden, was am Ende den Eindruck von unter Wasser bewirkte – Atlantis eben“.
Heftig bewegt hat Harms damals auch die erste Gegenüberstellung mit Rembrandts Mann im Goldhelm: „Diese Art der Darstellung hat mich umgehauen, ich war wie elektrisiert; ich habe mir sofort einen Druck besorgt und das Bild aufgehängt.“
Der Weg zur Kunst
Wer Bernd Harms in seinem Atelier besucht, wird zunächst empfangen von bühnenlauten Gesängen und Klängen Alter Meister. Inmitten dieser Welt von Tönen ist der Maler am Mischen, Auftragen, Spachteln – versunken und gleichzeitig hellwach – und komponiert seine Bilderwelten.
„Ja, die Musik – ein Fass ohne Boden! Sie ruft starke Emotionen hervor, wie bei mir auch die Begegnung mit Alten Kulturen, oder der Natur – sie berühren mich, ich möchte mitten hinein, möchte sie anfassen“
Eine Ausstellung mit Bildern aus der Toskana wirkte wie eine Art Initialzündung für den Weg, der dann begann:
„Italien! D a s Erlebnis! D i e s e s Licht! Und dazu die Alten Kulturen – das war das Nonplusultra. Dieses Besondere der italienischen Atmosphäre, die anderen Farben, die Verschiedenfarbigkeit der Schatten – das wollte ich er-fassen, und ich dachte immer nur: w i e krieg’ ich das hin?“
Harms kaufte Aquarellblocks und Farben – wenig später hat er sich eine kleine Feldstaffelei zugelegt, und abends, am Wochenende, wann immer es möglich war, ist er in den Garten gegangen, um „zu beobachten, um Farben & Formen nachzuspüren“. Und er hat gemalt.
Eines Tages war es dann soweit: Bernd Harms hatte eine Mappe zusammen.
Er präsentierte sie in der Kunstschule Blankenese und wurde angenommen – da war er etwa in der Mitte seiner 30er Jahre – „ab diesem Zeitpunkt begann die
r i c h t i g e Auseinandersetzung mit der Malerei: Bleistiftschraffur, Farbstifte, Kreide, Aquarell, Gouache, Acryl – mir schwirrte der Kopf, ich dachte: unmöglich, das zu packen“.
Aber der frischgebackene Kunstschüler überwand seine Zweifel und legte los, getreu der Devise seines Lehrers: „malen, malen, malen – nicht lange rumdiskutieren: m a c h e n !“
Das Ergebnis „passte in keinen Karton“ und machte den Dozenten sprachlos, „sowas“ hatte er „noch nie gesehen“ .
Erste abstrakte Bilder entstanden über das Aufspüren eigener Emotionen: Wut, Ärger, Spaß, Fröhlichkeit. „Sich mit dickem Pinselquast und weißem Papier auszudrücken, Gefühle über Form und Farbe sichtbar zu machen – ein tolles Abenteuer! Wenn es mir gelingt, auf diese Weise zu einer bestimmten Empfindung die malerische Form zu finden, und das gänzlich ohne nachzudenken – dann ist das der erste Schritt in Richtung Kunst.“
Maler Harms möchte in seinen Bildern „gelebtem Leben nachspüren“.
Viele seiner Motive basieren auf Fotografien – auf Reisen eingefangene Momente, eingefroren mit der Kamera. Aufgetaut spiegeln sie in ihrem Schmelzwasser einen neuen Kosmos wider; manche Motive erscheinen wie
vom Traum ins Wachsein gerettet.
Was er dabei sichtbar macht, sind Szenen im Spannungsfeld zwischen Fotorealismus und Abstraktion, rätselhafte Verbindungen zwischen Imagination und Realität. „Ich will den Betrachter locken, fesseln mit Bildmotiven, die jeder kennt, und dann kombiniere ich sie mit Details, die nicht einzuordnen sind nach herkömmlichem Muster – das verblüfft, überrascht, macht geheimnisvoll. Im Übrigen hat das Abstrakte für mich einen höheren Stellenwert als das Konkrete.“
So gern wie Bernd Harms malt, so gern betrachtet er Bilder anderer, gleich ob berühmter oder namenloser Künstler: „da versuche ich, mich in den Maler hinein zu versetzen, um seine Eigenart, das Geheimnis seiner Sprache zu entziffern.“ Besonders angetan haben es ihm die Impressionisten: „ihr Umgang mit Licht und Schatten, dieses Flirren und dann ihre Emotionalität – unglaublich ansprechend finde ich das! Hier bestätigt sich – einmal mehr – für mich die Formel:
Kunst = handwerkliches Können + Verfremdung.“
Über Farbe & Form, Technik & Ästhetik
Eines der Merkmale handwerklicher Handschrift lässt sich im Umgang mit der Farbe entschlüsseln. So auch im Harms’schen Malwerk. Unübersehbar. Er sagt selbst von einem seiner Bilder, einem blaugrauen Triptychon, dort käme man „dem Geheimnis des Nichts nur über die Farbe auf die Spur.“
Genau das trifft auch zu auf das zweiteilige Werk Orlando „mit diesem provokativen Türkis…“
Diese und die folgenden Anmerkungen zur Einsatzweise von Farben, zu Vorlieben und Abneigungen für bestimmte Töne, zeigen deutlich seine Eigen-art:
„Farbe ist für mich ein Material, das ich forme. Wie Ton. Ich schiebe sie mit Pinsel oder Spachtel hierhin, dahin – wo ich sie gerade haben will.
Einzelne, monochrome Flächen setze ich gezielt ein zum Sedieren – damit kommt das Auge sofort klar. . . Ansonsten entwickle ich meine Farbkompositionen im Prozess des Malens; irgendwann beim Mischen auf der Palette kommt unweigerlich der Moment, da weiß ich: Stopp, das ist es!“
Blautöne liebt Harms über alles; als Kontraste setzt er beispielsweise Violett und Braun. „Diese Farben kombiniere ich besonders gern.“
In Harms Bildern entdeckt man immer wieder subtil abgemischte GrauNuancen, „die müssen s o fein auf die Umgebung abgestimmt werden“ sagt er und setzt – plopp – schrille, schräge Töne als Kontrapunkt daneben.
Violett empfindet er als „schwierige Farbe, die steht so ganz für sich.“
Ein gespaltenes, eher ablehnendes Verhältnis hat er zu gewissen Grün-schattierungen; und Gelb „löst weder gute noch schlechte Gefühle aus,
es hat für mich etwas Undefiniertes“.
Alles in allem folgt Harms dem Appell seines Lehrers: „Sehen lernen über das Medium Farbe durch beobachten, immer wieder beobachten!“
Von seiner Formensprache behauptet der Maler, sie sei „absolut sekundär, und sie wechselt, da ich sie der Bildaussage wie der Farbe unterordne“.
Ganz und gar nicht untergeordnet ist dagegen die Anwendung des Yin-Yang-Prinzips, „die gleichzeitige Anwesenheit von Negativ und Positiv ist für mich ganz wichtig.“ Bernd Harms achtet auch auf die Spuren, die er selber hinterlässt beim Arbeiten, „was passiert mit ihnen, was lässt es offen?“
Zu weiteren Merkmalen gehören die in vielen Schichten aufgetragenen Farben und die Spachtelspuren. Ihre Strukturen rufen bei manchen Bildern die Anmutung verwitterter Oberflächen hervor.
„Der gesamte Bereich der Maltechnik ist ein ausgesprochener Erfahrungsschatz, mein Repertoire ist grösser und grösser geworden, und inzwischen kann ich mühelos daraus schöpfen. Doch das Entstehen eines Bildes ist jedes Mal wieder absolutes Neuland – mit schwankenden Planken unter den Füssen!“
So erfasst Maler Harms mit den Ausdruckswerten von Farbe, Form, Bewegung und Raum die sichtbare Welt in ihrer verwirrenden Fülle und zeigt dem Betrachter spielerisch die verwirrte Welt in ihrer sichtbaren Fülle.
Themenkreise und Motivationen
Als Künstler will Bernd Harms Botschaften vermitteln, politische Aussagen machen: zur Weltgeschichte, zur Religion; er will provozieren, er will Fragen stellen.
Für wen malt Bernd Harms seine Bilder?
„Zunächst einmal für mich selbst. Und wenn mir am Ende ein Bild gefällt, weil es die entsprechenden Emotionen auslöst, dann ist es in meinen Augen gelungen, und ich entlasse es in die Öffentlichkeit.“
Bernd Harms ist ein Viel-Maler. Bilder, die sehr lange brauchen bis zu ihrer Fertigstellung, gibt es eher nicht: wenn nach dem Ringen um die optimale Wiedergabe einer Idee „nix bei rauskommt, verwerfe ich das Vorhaben, dann war es eben keine gute Idee. Aber ich habe eine Erfahrung gewonnen: nämlich, dass manche Inhalte und Formen so nicht machbar sind.“
Alte Bilder betrachtet dieser Maler „selten, eher zufällig.“ Und wenn ein Bild (weg-)geht, „fühlt es sich ähnlich an wie wenn Kinder gehen“.
Auf der Suche nach Motiven – „eine Rose für sich allein bietet noch lange keinen Grund, sie zu malen“ – erweist sich Harms als global painter, dessen Wege quer durch die Kulturepochen führen, von der Antike bis in die Gegenwart, quer durch Länder und Kontinente (das Reisen ist Harms große Leidenschaft neben der Malerei), quer durch die Maltechniken anderer Ethnien (z.B. die Wasser-Wellen-Technik der japanischen Malerei des 15.Jahrhunderts).
Er betreibt Spurensuche in Details, : „aufgrund verarbeiteter Zeichen gilt es, neue zu setzen…“, er ist fasziniert von den Spuren der Menschheitsgeschichte: irgendwo in der Landschaft hinterlassene Zeichen früher gelebten Lebens, zum Beispiel von denen der Etrusker auf Elba. Harms greift sie auf.
Losgelöst vom ursprünglichen Kontext werden den Bildelementen veränderte Aussagen zugewiesen, entstehen geheimnisvolle Verbindungen zwischen Imagination und Realität. Der Maler er-dichtet Seherlebnisse und ver-dichtet sie durch Fragezeichen: „Who`s the king of glory?“
„Die Kunst ist widersprüchlich wie unsere Zeit – der Inhalt bleibt immer der gleiche!“
Picasso hat einmal (während eines Gespräches mit dem Fotografen Brassai) formuliert: „In Wirklichkeit kopiert man nie die Natur, man ahmt sie nicht nach, man stattet erfundene Objekte mit einem realistischen Schein aus…“
Dieses Postulat passt perfekt auf Bernd Harms Bildwerke – seine naturalistischen Darstellungen sind keine Kopien der Natur, keine Nachahmungen – es passt besonders jedoch auf sein gegenwärtiges Lieblingsbild mit dem
Titel Quantensprung. (Achtung: Harms setzt Titel bewusst als Provokation –
„sie passen nicht auf das Sichtbare!“)
„Das ist zur Zeit mein ausgesprochener Favorit.“ Protagonist dieses Werkes ist „eine zum Flugsaurier mutierte Zementmischmaschine – als der vorüberfliegende Schatten eines Etwas, das irgendwann einmal dagewesen ist.“
Das ist es: das Reale als Fiktion, kühne Farbkombinationen, Spachtelspuren, perspektivische Brüche, gleichzeitige Anwendung unterschiedlicher Techniken – und – – – „ich möchte an die Sehnsucht des Betrachters appellieren, an die Sehnsucht nach emotionalem Erleben – als Wirkung von Kunst auf die Seele“.
D a s ist seine Handschrift. Unverkennbar. Bernd Harms.